Das Böse unter der Sonne
schon gedacht, als ich Sie kennen lernte. Es wäre mir ein großes Vergnügen, mich mit Ihnen über die ganze Sache zu unterhalten.»
«Sie wollen wissen, was ich darüber denke?», fragte Rosamund freundlich.
«Das würde mich sehr interessieren.»
«Ich glaube, es ist alles sehr einfach. Der Schlüssel zum Ganzen liegt in der Vergangenheit der Toten.»
«In der Vergangenheit? Nicht in der Gegenwart?»
«Nun, vielleicht nicht in der fernen Vergangenheit. Ich sehe die Sache so: Arlena Marshall war eine attraktive Frau, eine sehr attraktive Frau. Ich halte es für möglich, dass sie einen Mann schnell satt bekam. Unter ihren zahlreichen – sagen wir – Verehrern gab es einen, dem das gar nicht gefiel. Oh, missverstehen Sie mich nicht, es ist bestimmt niemand, dem man so was schon von weitem ansehen würde. Sicherlich irgendein unscheinbarer Mann, eingebildet und empfindsam – der Typ, der alles in sich hineinfrisst. Ich glaube, er ist ihr hierher gefolgt, wartete, bis sich eine günstige Gelegenheit bot, und brachte sie um.»
«Sie sind also überzeugt, dass es ein Außenseiter war, dass er vom Festland kam?»
«Ja. Wahrscheinlich versteckte er sich in der Höhle, bis er seine Chance sah.»
Poirot schüttelte den Kopf. «Würde sie sich mit einem Mann, wie Sie ihn beschreiben, getroffen haben? Nein, sie hätte ihn ausgelacht und wäre nie gekommen.»
«Vielleicht wusste sie nicht, dass sie ihn treffen würde. Er kann ihr eine Nachricht geschickt haben, unter dem Namen eines anderen.»
«Das wäre möglich», murmelte Poirot. «Aber Sie vergessen eines, Mademoiselle! Ein Mann, der einen Mord plant, konnte es nicht riskieren, am hellen Tag über den Damm zu gehen, vorbei am Hotel. Man hätte ihn sehen können.»
«Vielleicht hat man ihn sogar gesehen – aber ich halte das nicht für sicher. Ich glaube vielmehr, dass er vorbeigehen konnte, ohne dass es auffiel.»
«Es wäre möglich, ja, das gebe ich zu. Aber der Witz dabei ist, dass er nicht darauf bauen konnte.»
«Vergessen Sie nicht einen wichtigen Punkt? Das Wetter!»
«Das Wetter?»
«Ja. Am Mordtag selbst war das schönste Wetter, aber am Tag davor regnete es, und es war ziemlich neblig. Da konnte jeder auf die Insel kommen, ohne bemerkt zu werden. Er brauchte nur hinunter zum Strand zu gehen und die Nacht in der Höhle bleiben. Der Nebel, Monsieur Poirot, spielt eine große Rolle.»
Poirot betrachtete sie nachdenklich. Nach ein paar Augenblicken sagte er: «Wissen Sie, da ist was dran, an Ihren Überlegungen.»
Rosamund errötete. «Das ist meine Theorie, ganz gleich, was Sie davon halten. Und wie lautet Ihre?»
«Ah!», sagte Hercule Poirot. Er blickte aufs Meer hinaus. « Eh bien, Mademoiselle. Ich bin ein sehr einfacher Mensch. Ich glaube immer, dass die Person die Tat beging, die am ehesten dafür in Frage kommt. Am Anfang dachte ich noch, dass völlig klar sei, wer diese Person ist.»
«Und weiter?» Rosamunds Stimme klang jetzt etwas härter.
«Aber sehen Sie, die Sache hat einen Haken! Allem Anschein nach ist es unmöglich, dass derjenige Mrs Marshall tatsächlich ermordete.»
Er hörte, wie Rosamund scharf die Luft ausstieß. Etwas atemlos sagte sie: «Und nun?»
Hercule Poirot zuckte die Achseln. «Tja, was kann man da tun? Das ist eben das Problem.» Er schwieg eine Weile und sagte dann: «Ich möchte Sie etwas fragen.»
«Nur zu!»
Sie sah ihn wachsam an. Aber auf die Frage, die dann kam, war sie nicht gefasst gewesen.
«Als Sie ins Hotel zurückkehrten, um sich zum Tennisspielen umzuziehen, haben Sie da vorher gebadet?»
Rosamund starrte ihn verblüfft an. «Gebadet? Was soll das heißen?»
«Genau das, was ich gefragt habe. Ob Sie ein Bad nahmen. Man dreht die Hähne auf, lässt das Wasser in die Wanne, legt sich hinein, steigt wieder hinaus und gusch – gusch gusch – fließt das Wasser durch den Abfluss weg.»
«Monsieur Poirot, sind Sie nicht ein bisschen verrückt?»
«Nein, ich bin völlig normal.»
«Nun, jedenfalls habe ich nicht gebadet.»
«Ha!», rief Poirot. «Dann hat also niemand gebadet! Das ist hochinteressant!»
«Aber warum hätte denn jemand ein Bad nehmen sollen?»
«Ja, warum?», echote Poirot.
«Jetzt spielen Sie wohl Sherlock Holmes, was?», sagte Rosamund etwas empört.
Hercule Poirot lächelte nur. Dann schnupperte er in der Luft. «Erlauben Sie mir eine unverschämte Frage, Mademoiselle?»
«Sie können doch gar nicht unverschämt werden, Monsieur Poirot!»
«Es ist sehr freundlich
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