Das Böse unter der Sonne
aufgeregt – verwirrt.»
Poirot nickte. «Haben Sie in ihrem Zimmer einen Kalender gesehen?»
«Einen Kalender? Was für einen Kalender?»
«Wahrscheinlich einen grünen. Einen grünen Abreißkalender.»
Christine bemühte sich so angestrengt, sich zu erinnern, dass sie die Augen verdrehte. «Einen grünen Kalender – ein helles, leuchtendes Grün! Ja, so einen Kalender habe ich gesehen – aber ich kann mich nicht mehr erinnern, wo. Vielleicht in Lindas Zimmer. Ich bin mir nicht sicher.»
«Aber Sie haben so ein Ding bestimmt gesehen?»
«Ja.»
Wieder nickte Poirot.
«Worauf wollen Sie eigentlich hinaus, Monsieur Poirot?», fragte Christine scharf. «Was hat das Ganze zu bedeuten?» Statt einer Antwort holte Poirot einen kleinen, in braunes Leder gebundenen Band hervor. «Haben Sie den schon mal gesehen?», fragte er.
«Wieso? Ich glaube, ja, aber ich bin mir nicht sicher. Linda hat vor ein paar Tagen mal drin geblättert, als sie in der Leihbücherei war. Aber sie schloss das Buch und stellte es hastig zurück, als sie mich entdeckte. Ich habe mich noch gefragt, was das bedeuten sollte.»
Schweigend wies Poirot auf den Titel des Buches. «Geschichte der Magie und Zauberei und der nicht nachweisbaren Gifte» stand da.
«Ich begreife gar nichts», sagte Christine. «Was soll das bedeuten?»
«Es bedeutet eine Menge», erwiderte Poirot würdevoll.
Sie sah ihn fragend an, aber Poirot äußerte sich nicht weiter zu ihrer Frage. Stattdessen sagte er: «Noch etwas, Madame. Nahmen Sie an jenem Vormittag ein Bad, ehe Sie Tennis spielen gingen?»
Christine starrte ihn verblüfft an. «Ein Bad? Nein. Ich hätte gar keine Zeit dazu gehabt, und außerdem hatte ich gar keine Lust zu baden, nicht vor dem Tennisspielen. Eher danach.»
«Haben Sie Ihr Badezimmer benützt, als Sie vom Strand zurückkamen?»
«Ich wusch mir Hände und Gesicht, das ist alles.»
«Sie drehten nicht die Badewannenhähne auf?»
«Nein, selbstverständlich nicht.»
Poirot nickte. «Es ist auch nicht weiter wichtig.»
Hercule Poirot stand neben dem Tischchen, an dem Mrs Gardener saß und sich bemühte, ein Puzzle zu legen. Sie blickte auf und zuckte zusammen.
«Mein Gott, Monsieur Poirot, wie leise Sie sind! Ich habe Sie gar nicht kommen hören. Sie sind sicherlich eben von der gerichtlichen Voruntersuchung zurückgekehrt. Wissen Sie, allein schon der Gedanke an so etwas macht mich so nervös, dass ich nicht weiß, was ich tun soll. Deshalb lege ich ein Puzzle. Ich hätte es nicht ertragen, einfach zum Strand zu gehen, als sei nichts geschehen. Und Mr Gardener weiß, wenn ich mit den Nerven am Ende bin, gibt es nichts Besseres als ein Puzzle, um mich zu beruhigen. Also, wo passt nur dieses weiße Stück hin? Es gehört bestimmt zum Fellteppich, aber ich kann nicht entdecken, wo es fehlt.»
Vorsichtig nahm Poirot ihr das Stückchen aus der Hand und sagte: «Hier passt es genau, Madame. Es gehört zur Katze.»
«Unmöglich. Die Katze ist schwarz.»
«Ja, es ist eine schwarze Katze. Aber das Schwanzende ist weiß.»
«Tatsächlich! Wie klug Sie sind! Ich finde, dass die Leute, die die Puzzles machen, ziemlich hinterhältig sind. Sie tun alles, um einen zu täuschen!»
Sie legte ein anderes Stückchen an seinen Platz und fuhr fort: «Wissen Sie, Monsieur Poirot, ich habe Sie die letzten Tage beobachtet. Ich wollte einfach sehen, wie Sie arbeiten und ein Verbrechen aufklären – wenn Sie verstehen, was ich meine. Es soll nicht herzlos klingen, als sei alles ein Spiel. Schließlich ist die arme Person umgebracht worden. Mein Gott jedes Mal, wenn ich daran denke, überläuft es mich eiskalt! Heute Morgen sagte ich noch zu Mr Gardener, dass ich es nicht mehr länger ertrage und wir unbedingt abreisen müssen, und jetzt, nachdem die Untersuchung vorbei ist, glaubt er, dass wir morgen abfahren können. Ein Segen, da bin ich sicher. Aber was Ihren Beruf betrifft, Monsieur Poirot, ich würde so gern Genaueres wissen. Es wäre mir wirklich eine Ehre, wenn Sie mir die Sache etwas genauer erklärten.»
«Es ist ungefähr so wie mit Ihren Puzzles, Madame. Man setzt sie Stück für Stück zusammen. Wie ein Mosaik – viele Farben, viele Muster. Und jedes noch so seltsam geformte Teil muss den passenden Platz finden.»
«Ist das nicht interessant? Ich finde, Sie erklären das wunderschön!»
«Und manchmal ergeht es mir wie Ihnen eben. Man ordnet die verschiedenen Stücke des Puzzles, zum Beispiel nach Farben, und dann passt ein Teil, das
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