Das Bourne-Attentat
immerhin schon überwunden hatten, indem sie LaValles Gäste waren. Jetzt mussten sie nur noch mit dem Inneren des Hauses fertig werden. Hinauszukommen war wieder eine andere Sache.
Er fuhr zum Säulengang, doch noch ehe er den Motor abgestellt hatte, kam ein Mann, um das Auto für ihn zu parken – auch er ein steifer Soldat, zu dem der Anzug einfach nicht recht passen wollte.
General Kendall wartete, pünktlich wie immer, an der Tür, um sie zu empfangen. Er schüttelte Soraya flüchtig die Hand und musterte Tyrone, als sie ihn vorstellte.
»Ihr Bodyguard, nehme ich an«, sagte Kendall in einem Ton, der wie eine Zurechtweisung klang. »Aber er sieht gar nicht wie ein typischer CI-Mann aus.«
»Das ist auch kein typisches CI-Treffen«, gab Soraya bissig zurück.
Kendall zuckte nur mit den Achseln. Noch ein flüchtiger Händedruck, und er drehte sich um und führte sie ins Innere des riesigen Gebäudes. Durch die teuer ausgestatteten öffentlichen Räume, durch stille Korridore, in denen Gemälde mit Kriegsszenen hingen, vorbei an Fenstern mit Stabwerk, durch die die Januarsonne ihre Strahlen schickte, die sich über den teuren blauen Teppich ergossen. Tyrone prägte sich unauffällig jedes noch so kleine Detail ein, so als würde er sich den Laden mal ansehen, um ihn hinterher auszurauben, was er in gewisser Weise ja auch vorhatte. Sie kamen an der Tür vorbei, die in den Keller führte. Alles sah genau so aus, wie Soraya es aus dem Gedächtnis für ihn und Deron aufgezeichnet hatte.
Sie gingen noch etwa zehn Meter weiter, bis sie vor der Nussholztür standen, die zur Bibliothek führte. Im Kamin brannte ein Feuer, und vier Stühle standen um denselben Tisch, an dem Soraya bei ihrem ersten Besuch mit Kendall und LaValle gesessen hatte. Willard empfing sie, kaum dass sie eingetreten waren.
»Guten Tag, Ms. Moore«, sagte er mit seiner üblichen angedeuteten Verbeugung. »Wie nett, Sie wieder hier zu sehen. Wünschen Sie wieder Ihren Ceylontee?«
»Das wäre schön, danke.«
Tyrone wollte schon eine Cola verlangen, überlegte es sich dann aber anders. Stattdessen bestellte er ebenfalls Ceylontee, obwohl er nicht die geringste Ahnung hatte, wie er schmeckte.
»Sehr wohl«, sagte Willard und ging hinaus.
»Hier lang«, sagte Kendall überflüssigerweise und führte sie zu dem Tisch, an dem Luther LaValle bereits saß und durch das Fenster auf die Sonne hinausblickte, die über den Hügeln im Westen unterging.
Er hörte sie wohl kommen, denn plötzlich stand er auf und drehte sich um, als sie gerade zu ihm traten. Soraya kam es wie ein gut einstudiertes Manöver vor, das genauso künstlich wirkte wie sein Lächeln. Wie es sich gehörte, stellte sie ihm Tyrone vor, und sie setzten sich alle zusammen an den Tisch.
»Bevor wir beginnen, Director«, sprach LaValle sie an, »muss ich Ihnen mitteilen, dass wir in unserem eigenen Archiv ebenfalls einige bruchstückhafte Informationen über die Schwarze Legion gefunden haben. Offenbar hat es diese Gruppierung zur Zeit des Dritten Reichs gegeben. Sie bestand aus muslimischen Kriegsgefangenen vom Einmarsch in die Sowjetunion. Diese Muslime, die hauptsächlich aus der Kaukasus-Region stammten, hassten Stalin so sehr, dass sie zu allem bereit waren, um sein Regime zu stürzen, auch dazu, sich den Nazis anzuschließen.«
LaValle schüttelte den Kopf wie ein Geschichtsprofessor, der seinen Schülern von schlimmen Zeiten erzählte. »Es ist ein besonders erschreckendes Detail aus diesen furchtbaren Jahren. Es gibt allerdings keinerlei Hinweise, dass die Schwarze Legion das Regime, aus dem sie hervorging, überlebt haben könnte. Man muss bedenken, dass Heinrich Himmler, der diese Einheit einsetzte, ein Meister der Propaganda war, vor allem wenn es darum ging, seine Verdienste gegenüber Hitler herauszustreichen. Tatsächlich dürfte die Rolle der Schwarzen Legion an der Ostfront eher bescheiden gewesen sein; ihren Ruf als besonders gefürchtete Einheit verdankte sie wohl eher Himmlers Propagandamaschinerie und nicht irgendwelchen Taten, die ihre Mitglieder begangen hatten.«
Als er lächelte, war es, als würde die Sonne hinter Gewitterwolken hervorkommen. »Nun, im Lichte dieser Tatsache würde ich mir gern das Material von Typhon ansehen.«
Soraya ließ diese ziemlich herablassende Einführung über sich ergehen, die vor allem dazu gedacht war, den Ursprung ihres Materials in Zweifel zu ziehen. Ihre Aufgabe war zu wichtig, als dass sie sich vom Ärger über LaValle
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