Das Bourne-Attentat
Johann, der sie rettete, doch es war ein überaus schmerzlicher Prozess, zwischen dem körperlichen Genuss und ihren sonstigen Wünschen und Zielen zu unterscheiden. Vor allem weil ihr Geliebter zwei Monate später starb. Eine Zeit lang war ihre Wut auf Johann grenzenlos; ihre Freundschaft und das gegenseitige Vertrauen wurden auf eine harte Probe gestellt. Es war eine Lektion, die sie nie vergaß. Das war einer der Gründe, warum sie es sich nicht gestattet hatte, sich in Martin zu verlieben, obwohl etwas in ihr sich danach sehnte, von ihm berührt zu werden. Jason Bourne war wieder eine ganz andere Geschichte, denn bei ihm fühlte es sich wieder so an, als würde sie von einem Wirbelwind mitgerissen. Aber diesmal hatte sie nicht das Gefühl, sich selbst dabei zu verlieren. Das lag zum Teil sicher daran, dass sie selbst reifer geworden war. Der Hauptgrund dafür war aber, dass Bourne nichts von ihr verlangte. Er wollte sie nicht führen oder beherrschen. Alles an ihm war rein und klar. Sie ging zu einer anderen Orchidee weiter, die dunkel wie die Nacht war, mit ein klein wenig Gelb in der Mitte. Es war schon merkwürdig, dachte sie, aber bei all den Problemen, die Jason mit sich herumtrug, hatte sie doch noch nie einen Mann getroffen, der sich so unter Kontrolle hatte wie er. Seine Selbstsicherheit fand sie äußerst anziehend, und sie war außerdem ein wirksames Gegenmittel gegen ihren eigenen Hang zur Melancholie.
Es hatte schon eine gewisse Ironie; Bourne selbst schätzte sich wahrscheinlich als Pessimist ein, aber nachdem sie selbst zum Pessimismus neigte, wusste sie genau, dass er in Wahrheit ein Optimist war. Bourne fand auch in scheinbar ausweglosen Situationen immer eine Lösung. So etwas brachten nur die größten Optimisten zuwege.
Sie hörte leise Schritte, und als sie sich umdrehte, sah sie Noah auf sich zukommen, die Schultern unter dem Tweedmantel hochgezogen. Er war zwar in Israel zur Welt gekommen, doch inzwischen war er praktisch ein Deutscher, nachdem er schon so lange in Berlin lebte. Er war Johanns Schützling; die beiden hatten sich sehr nahegestanden. Als Johann getötet wurde, nahm Noah seinen Platz ein.
»Hallo, Moira.« Er hatte ein schmales Gesicht unter dem schwarzen, frühzeitig grau melierten Haar. Mit seiner langen Nase und dem ernsten Mund sah man ihm nicht an, dass er einen ausgeprägten Sinn für das Absurde besaß. »Kein Bourne, wie ich sehe.«
»Ich habe getan, was ich konnte, um ihn für NextGen zu gewinnen.«
Noah lächelte. »Davon bin ich überzeugt.«
Er zeigte nach vorne, und sie gingen zusammen weiter. Es waren nur wenige Leute hier an diesem düsteren Morgen, also bestand kaum die Gefahr, dass jemand sie hörte.
»Aber um ehrlich zu sein – nach dem, was du mir gesagt hast, war’s ohnehin nicht sehr wahrscheinlich.«
»Ich bin nicht enttäuscht«, sagte Moira. »Mir war die Sache sowieso zuwider.«
»Weil du Gefühle für ihn hast.«
»Und wenn’s so wäre?«, erwiderte Moira, sich rechtfertigend.
»Das weißt du genau.« Noah musterte sie aufmerksam. »In der Führungsetage ist man der Auffassung, dass deine Arbeit von deinen Gefühlen beeinträchtigt wird.«
»Wer zum Teufel sagt so etwas?«, fragte sie.
»Ich will dir nur sagen, dass ich auf deiner Seite bin.« Er sprach zu ihr wie ein Psychoanalytiker, der eine aufgewühlte Patientin zu beruhigen versuchte. »Das Problem ist, dass du schon vor einigen Tagen hättest hier sein sollen.« Sie kamen an einer Arbeiterin vorbei, die mit Afrikanischen Veilchen beschäftigt war. Als sie für die Frau außer Hörweite waren, fuhr er fort: »Dann geh und hol Bourne her.«
»Ich hab’s dir doch gesagt. Ich habe bis zuletzt versucht, ihn zu gewinnen.«
»Du sollst einen Lügner nicht anlügen, Moira.« Er verschränkte die Arme vor der Brust. Und mit besonderem Nachdruck fügte er hinzu: »Es besteht die ernste Sorge, dass deine Prioritäten nicht stimmen. Du hast einen Job zu erledigen, und einen sehr wichtigen noch dazu. Die Firma kann es sich nicht leisten, dass deine Aufmerksamkeit abgelenkt wird.«
»Soll das heißen, ihr wollt mich auswechseln?«
»Das ist eine Option, über die gesprochen wurde«, gab er zu.
»Quatsch. In diesem späten Stadium gibt’s keinen, der das Projekt so gut kennt wie ich.«
»Aber es wurde noch eine andere Option diskutiert: der Rückzug vom Projekt.«
Moira war sichtlich schockiert. »Das würdet ihr doch nicht tun.«
Noah sah ihr fest in die Augen. »Die Firma hat
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