Das Bourne-Attentat
beschlossen, dass es in diesem Fall besser ist, sich zurückzuziehen als zu scheitern.«
Moira spürte, wie es in ihr zu brodeln begann. »Ihr könnt euch nicht zurückziehen, Noah. Ich werde nicht scheitern.«
»Ich fürchte, das hat sich erledigt«, sagte er, »weil die Entscheidung nämlich gefallen ist. Heute früh um sieben Uhr haben wir NextGen offiziell mitgeteilt, dass wir uns von dem Projekt zurückziehen.«
Er reichte ihr ein Paket. »Hier ist deine neue Aufgabe. Du wirst noch heute Nachmittag nach Damaskus fliegen.«
Arkadin und Devra sahen die Sonne aufgehen, als sie die Bosporus-Brücke erreichten und weiter nach Istanbul fuhren. Nachdem sie direkt aus den schneebedeckten Bergen kamen, hatten sie nach und nach eine Kleiderschicht nach der anderen abgelegt. Der Morgen in der Stadt war außergewöhnlich mild. Freizeitjachten und riesige Tanker durchfuhren den Bosporus. Es tat gut, die Fenster herunterkurbeln zu können. Die frische, feucht-würzige Luft war eine wahre Wohltat nach dem trockenen rauen Winter, den sie in den Bergen erlebt hatten.
Im Laufe der Nacht hatten sie bei jeder Tankstelle und jedem schäbigen Motel angehalten, um Heinrich zu finden, den nächsten Kurier in Pjotrs Netzwerk.
Als Arkadin sie am Lenkrad ablöste, wechselte sie auf den Beifahrersitz, legte den Kopf an die Tür und sank in einen tiefen Schlaf. Sie träumte, sie wäre ein Wal, der durch das eiskalte schwarze Wasser schwamm. Kein Sonnenstrahl drang in die Tiefen, in denen sie sich bewegte. Unter ihr öffnete sich ein tiefer Abgrund. Über ihr sah sie eine dunkle Gestalt. Sie wusste nicht, warum, aber aus irgendeinem Grund schien es wichtig zu sein, dass sie diesem dunklen Etwas folgte, dass sie herausfand, was es war. War es Freund oder Feind? Immer wieder stieß sie ihre Laute aus, doch es kam keine Antwort. Es waren keine anderen Wale in der Nähe – was also war dieses geheimnisvolle Etwas, das sie zu erreichen versuchte? Da war niemand, der ihr hätte helfen können. Sie bekam Angst. Die Angst wurde immer größer und größer …
Als sie aus dem Schlaf hochschreckte, sah sie Arkadin neben sich sitzen. Das graue Licht der Morgendämmerung verlieh allen Dingen etwas seltsam Bedrohliches.
Fünfundzwanzig Minuten später befanden sie sich mitten im brodelnden, lärmenden Herzen von Istanbul.
»Heinrich besucht gern Kilyos, den Ferienort nördlich der Stadt, bevor er abfliegt«, sagte Devra. »Weißt du, wie man da hinkommt?«
Arkadin nickte. »Ich kenne die Gegend ganz gut.«
Sie kamen durch Sultanahmet, das Herz der Altstadt von Istanbul, dann überquerten sie die Galatabrücke und gelangten so über das Goldene Horn in das Hafenviertel Karaköy. In den alten Zeiten, als Istanbul noch Konstantinopel hieß und die Hauptstadt des Byzantinischen Reiches war, befand sich hier in Karaköy die mächtige genuesische Handelskolonie namens Galata. Als sie die Mitte der Brücke erreichten, blickte Devra nach Westen in Richtung Europa, dann nach Osten in den Stadtteil Usküdar auf der asiatischen Seite des Bosporus.
Sie kamen nach Karaköy mit seinen genuesischen Festungsmauern und dem Galata-Turm, der ebenso wie der Topkapi-Palast und die Blaue Moschee aus der Stadt herausragte.
Kilyos lag an der Schwarzmeerküste, fünfunddreißig Kilometer von der Stadt entfernt. Im Sommer war es ein beliebter Badeort, der stets voll war mit Leuten, die badeten, in einem der vielen Restaurants am Strand aßen, Sonnenbrillen und Strohhüte kauften oder einfach nur in der Sonne lagen und träumten. Im Winter strahlte der Ort etwas Trauriges aus, so wie eine alte Dame, die allmählich senil wurde. Doch an diesem sonnigen Morgen, unter dem wolkenlosen blauen Himmel, sah man doch einige Gestalten am Strand spazieren: junge Paare, die Hand in Hand gingen, Mütter mit kleinen Kindern, die lachend zum Wasser hinunterliefen und kreischend wieder zurückwichen, wenn die Brandung heranrollte. Ein alter Mann saß auf einem Klappschemel und rauchte eine krumme handgedrehte Zigarre.
Arkadin stellte den Wagen ab, stieg aus und streckte sich nach der langen Fahrt erst einmal durch.
»Er wird mich erkennen, wenn er mich sieht«, sagte Devra und blieb im Wagen. Sie gab ihm eine genaue Beschreibung von Heinrich. Kurz bevor Arkadin zum Strand hinunterging, fugte sie hinzu: »Er geht gern mit den Füßen ins Wasser; er sagt, es erdet ihn.«
Unten am Strand war es so warm, dass einige Leute die Jacke ausgezogen hatten. Ein Mann in mittleren Jahren
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