Das Bourne-Attentat
Zuhause, wo Sie hingehen können?«
»Sicher.« Pelz schmatzte mit den Lippen, so als könne er das Leben spüren, das er als junger Mann gelebt hatte. »Ich habe sogar ein sehr nettes Haus in Dachau, mit Blumen im Garten und einem großen Kirschbaum. Das Haus ist an eine nette Familie mit zwei prächtigen Kindern vermietet, die die Miete jeden Monat pünktlich an meinen Neffen in Leipzig überweisen. Er ist ein erfolgreicher Anwalt, wissen Sie.«
»Herr Pelz, das verstehe ich nicht«, wandte Petra ein. »Warum wohnen Sie dann nicht in Ihrem Haus? Das hier ist doch kein Platz zum Leben.«
»Der Bunker ist meine Lebensversicherung.« Der Alte sah sie mit zusammengekniffenen Augen an. »Hast du eine Ahnung, was mit mir passieren würde, wenn ich in mein Haus zurückginge? Sie würden mich mitten in der Nacht verschwinden lassen, und niemand würde mich je wiedersehen.«
»Wer sollte das tun?«, fragte Bourne.
Pelz schien über die Frage nachzudenken, so als versuchte er sich an den Text eines Buches zu erinnern, das er in der Schulzeit gelesen hatte. »Ich habe euch ja gesagt, dass ich ein Nazijäger war, und zwar ein verdammt guter. Damals habe ich gelebt wie ein König – oder sagen wir, wie ein Herzog. Aber das war, bevor ich übermütig wurde und einen schweren Fehler machte. Ich beschloss, die Schwarze Legion zu verfolgen, und diese unüberlegte Entscheidung war mein Untergang. Wegen ihnen habe ich alles verloren, sogar das Vertrauen der Amerikaner, weil sie diese Leute damals mehr brauchten als mich. Die Schwarze Legion hat mich in die Gosse getreten wie einen räudigen Hund. Von dort war’s nur noch ein kleiner Schritt hier hinunter unter die Erde.«
»Über die Schwarze Legion wollte ich auch mit Ihnen sprechen«, sagte Bourne. »Ich bin auch ein Jäger. Die Schwarze Legion ist heute keine Nazi-Organisation mehr. Sie haben sich zu einem islamischen Terrornetzwerk entwickelt.«
Der Alte kratzte sich den grauen Bart. »Also, das überrascht mich eigentlich nicht wirklich. Diese Hundesöhne haben es immer schon verstanden, die anderen für ihre Zwecke zu benutzen – die Deutschen, die Briten und vor allem die Amerikaner. Nach dem Krieg haben sie mit allen gespielt. Die westlichen Geheimdienste haben ihnen das Geld nur so nachgeworfen. Es war ein so verlockender Gedanke für sie alle, Spione hinter dem Eisernen Vorhang zu haben.
Diese Hundesöhne begriffen schnell, dass die Amerikaner die Oberhand behalten würden. Warum? Weil sie das meiste Geld hatten und im Gegensatz zu den Briten auch nicht knausrig waren.« Er kicherte. »Aber so sind die Amerikaner nun einmal, nicht wahr?«
Er wartete nicht auf eine Antwort, weil sich das für ihn sowieso von selbst verstand, und redete munter weiter. »Also, die Schwarze Legion begann mit der amerikanischen Geheimdienstmaschinerie zusammenzuarbeiten. Sie hatten keine Mühe, die Amis davon zu überzeugen, dass sie nie Nazis gewesen seien und dass sie immer nur die Absicht gehabt hätten, Stalin zu bekämpfen. Und das stimmte ja irgendwo auch, aber nach dem Krieg hatten sie andere Ziele. Sie sind schließlich Muslime; sie fühlten sich in der westlichen Gesellschaft nie wirklich wohl. Sie schmiedeten Pläne für die Zukunft, und so wie viele andere radikale Gruppen schufen sie ihre Machtbasis mit amerikanischen Dollars.«
Er sah Bourne mit zusammengekniffenen Augen an. »Sie sind Amerikaner – armer Teufel. Keines dieser modernen Terrornetzwerke würde ohne die Unterstützung Ihres Landes existieren. Das hat schon eine verdammte Ironie, was?«
Für einige Sekunden verfiel er wieder in sein unverständliches Gemurmel und begann plötzlich ein Lied zu singen, dessen Text so melancholisch war, dass ihm die Tränen in die Augen traten.
»Herr Pelz«, sagte Bourne, um den alten Mann wieder in die Gegenwart zurückzuholen. »Sie haben von der Schwarzen Legion gesprochen.«
»Ich heiße Virgil«, sagte Pelz, als er aus seiner Geistesabwesenheit auftauchte. »Und ich werde Ihnen jetzt verraten, wer diese Hundesöhne wirklich waren, die mein Leben zerstört haben. Warum auch nicht? So alt, wie ich bin, wird es ohnehin Zeit, dass ich es einmal jemandem erzähle – und warum nicht gleich Ihnen.«
»Sie sind hinten«, sagte Bev zu Drew Davis. »Beide.« Die dicke Frau in den Fünfzigern sagte von sich selbst, dass sie auf die Mädchen im Glass Slipper aufpasse wie ein Cowboy auf seine Herde.
»Es geht vor allem um den General«, sagte Davis, »nicht wahr, Kiki?«
Kiki
Weitere Kostenlose Bücher