Das Bourne-Attentat
würde, und jetzt wusste er, warum, und er wusste, wie.
Ikupow blickte zu dem Haus mit Egon Kirschs Wohnung zurück und wurde von jäher Angst gepackt, so als würde jeden Moment der Tod daraus hervorkommen, um ihn zu holen. Er versuchte sich zusammenzunehmen, versuchte aufzustehen, doch ein entsetzlicher Schmerz durchzuckte ihn, seine Knie gaben nach, und er sank wieder auf den kalten Stein zurück.
Noch mehr Leute gingen vorbei, die ihn jedoch gar nicht beachteten. Autos rollten vorbei. Der Himmel senkte sich herab, der Tag verdunkelte sich, wie von einem Schleier bedeckt. Mit einem plötzlichen Windstoß begann es zu regnen – beißende Tropfen, die sich wie Eisregen anfühlten. Er zog den Kopf zwischen die Schultern und begann heftig zu zittern.
Und dann hörte er, wie jemand seinen Namen rief; er drehte den Kopf und sah die albtraumhafte Gestalt von Leonid Danilowitsch Arkadin die Stufen von Kirschs Wohnhaus herunterkommen. Erneut versuchte Ikupow auf die Beine zu kommen. Stöhnend machte er ein paar wankende Schritte, als Arkadin auf ihn zugelaufen kam.
In diesem Augenblick hielt ein schwarzer Mercedes am Bürgersteig. Der Fahrer kam herausgeeilt, ergriff Ikupow und zog ihn mit sich über den Asphalt. Ikupow wehrte sich vergeblich. Er war bereits zu geschwächt vom Blutverlust. Der Fahrer riss die hintere Tür auf und schob ihn auf den Rücksitz. Er zog eine HK 45 und richtete sie auf Arkadin, um ihn auf Distanz zu halten, dann sprang er um den Mercedes herum, setzte sich ans Lenkrad und fuhr los.
Ikupow saß zusammengesunken auf dem Rücksitz und stöhnte vor Schmerz. Er spürte das leichte Schaukeln des Wagens, der mit ihm durch die Straßen der Münchner Innenstadt brauste. Erst nach einer Weile wurde ihm bewusst, dass er nicht allein auf dem Rücksitz war. Er blinzelte schwer, um klarer zu sehen.
»Hallo, Semjon«, sagte eine vertraute Stimme.
Im nächsten Augenblick sah Ikupow wieder klar. »Du!«
»Es ist lange her, seit wir uns zum letzten Mal gesehen haben, nicht wahr?«, sagte Dominic Specter.
»Das Empire State Building«, sagte Moira, als sie die Pläne studierte, die Bourne aus Kirschs Wohnung mitgenommen hatte. »Ich kann’s nicht glauben, dass ich mich so geirrt habe.«
Sie hatten auf dem Weg zum Flughafen auf einer Raststätte an der Autobahn angehalten.
»Wie meinst du das – du hast dich geirrt?«, fragte Bourne.
Sie erzählte ihm, was Arthur Hauser, der Ingenieur von Kaller, ihr über den Softwarefehler des LNG-Terminals verraten hatte.
Bourne überlegte einen Augenblick. »Wenn ein Terrorist diesen Fehler ausnutzen würde, um die Kontrolle über die Software zu erlangen – was könnte er dann machen?«
»Der Tanker ist so riesig und das Terminal so komplex, dass die Abläufe elektronisch gesteuert werden.«
»Durch die Software.«
Moira nickte.
»Dann könnte er den Tanker in das Terminal krachen lassen.« Er wandte sich ihr zu. »Würden die Flüssiggastanks durch den Aufprall explodieren?«
»Wahrscheinlich, ja.«
Bourne dachte fieberhaft nach. »Trotzdem – der Terrorist müsste den Fehler kennen, er müsste wissen, wie er ihn ausnutzen kann und wie er die Software manipulieren kann.«
»Das klingt immer noch einfacher, als ein so großes Gebäude in Manhattan in die Luft zu jagen.«
Sie hatte natürlich Recht. Während er an die Fragen dachte, die ihm ständig im Kopf herumgingen, wurde ihm klar, welche Schlussfolgerungen sie zu ziehen hatten.
Moira sah auf ihre Uhr. »Jason, das Flugzeug von NextGen mit dem Kupplungssystem startet in einer halben Stunde.« Sie legte den Gang ein und lenkte den Wagen auf die Autobahn. »Wir müssen uns entscheiden, bevor wir zum Flughafen kommen. Fliegen wir nach New York oder nach Long Beach?«
»Ich habe lange darüber nachgedacht«, sagte Bourne, »warum Specter und Ikupow diese Pläne um jeden Preis haben wollten.« Er starrte auf die Baupläne hinunter, wie um sie aufzufordern, ihm etwas zu verraten. »Das Problem«, fuhr er nachdenklich fort, »ist, dass sie Specters Sohn Pjotr anvertraut wurden, der sich viel mehr für Drogen und Mädchen und das Moskauer Nachtleben interessierte als für seine Arbeit. Dementsprechend bestand sein Netzwerk aus Versagern, Junkies und Schwächlingen.«
»Warum sollte Specter ein so wichtiges Dokument einem solchen Netzwerk anvertrauen?«
»Genau das ist der Punkt«, sagte Bourne. »Das würde er niemals tun.«
Moira sah ihn an. »Und was heißt das? Ist das Netzwerk nur eine
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