Das Bourne-Attentat
den Fußraum des Beifahrersitzes hinunter, damit er sich ans Lenkrad setzen konnte. Bourne konnte nun zwar lenken, doch der Fahrer blockierte mit seinem Körper die Pedale.
Der Cadillac war nun außer Kontrolle. Er stieß gegen ein Auto auf der linken Fahrspur und schwenkte wieder nach rechts. Bourne kämpfte nicht gegen die Schleuderbewegung an, er legte den Leerlauf ein, und der Motor war vom Getriebe getrennt – doch das Problem waren die Kräfte, die immer noch auf den Wagen wirkten. Bourne kämpfte darum, den Wagen unter Kontrolle zu bekommen, doch das Bremspedal war von einem Bein blockiert. Er lenkte nach rechts, schoss über den Begrenzungsstreifen hinweg und landete auf einem riesigen Parkplatz, der zwischen dem Freeway und dem Potomac lag.
Der Cadillac prallte seitlich gegen einen geparkten SUV und fuhr weiter auf das Wasser zu. Bourne schob den reglosen Körper des bewusstlosen Fahrers mit seinem nackten linken Fuß so weit zur Seite, dass er an das Bremspedal herankam. Der Wagen wurde endlich langsamer, aber sie rollten immer noch auf den Fluss zu. Bourne riss das Lenkrad hart nach rechts, um den Wagen von der niedrigen Begrenzungsmauer wegzulenken, die den Parkplatz vom Fluss trennte. Als die Frontpartie des Cadillacs auf die Mauer auffuhr, trat er das Bremspedal bis zum Anschlag durch, und der Wagen kam schließlich zum Stillstand. Zum Teil ragte der Wagen schon über die Begrenzungsmauer hinaus. Er schaukelte bedrohlich vor und zurück. Specter, der immer noch hinter Bourne auf dem Rücksitz kauerte, stöhnte leise; der rechte Ärmel seines Tweed-Jacketts war vom Blut des Entführers befleckt.
Bourne spürte, dass die Vorderräder des Wagens noch auf der Mauer lagen, und legte rasch den Rückwärtsgang ein. Der Cadillac schoss zurück und krachte gegen ein geparktes Auto, bevor Bourne wieder den Leerlauf einlegen konnte.
Aus der Ferne hörte er das Heulen von Sirenen.
»Professor, sind Sie okay?«
Specter stöhnte, ehe er antwortete. »Wir müssen hier raus.«
Bourne schob die Beine des bewusstlosen Fahrers von den Pedalen weg. »Diese Tätowierung, die ich auf dem Arm des einen gesehen habe …«
»Keine Polizei«, krächzte Specter mühsam. »Ich sage Ihnen, wo wir hinfahren müssen.«
Bourne stieg aus dem Caddy und half dann auch Specter heraus. Er humpelte zu einem anderen Wagen und schlug mit dem Ellbogen das Fenster ein. Die Polizeisirenen kamen näher. Bourne stieg ein, schloss die Zündung kurz, und der Motor erwachte keuchend zum Leben. Er öffnete die Türen. Kaum saß der Professor auf dem Beifahrersitz, fuhr Bourne los und folgte dem Freeway in östlicher Richtung. So schnell wie möglich wechselte er auf die linke Spur – dann lenkte er abrupt nach links. Der Wagen sprang über den Mittelstreifen, und Bourne beschleunigte und fuhr nun Richtung Westen, weg vom Geheul der Polizeisirenen.
Kapitel sechs
Arkadin aß im Tractir in der Bolschaja Morskaja zu Abend. Fast eine ganze Wand wurde von einem Gemälde eingenommen, das dreimastige Schiffe im Hafen von Sewastopol um 1900 zeigte. Das Essen schmeckte eintönig, aber deswegen war Arkadin auch nicht hergekommen. Es war das Restaurant, dessen Namen er in Oleg Iwanowitsch Schumenkos Brieftasche gefunden hatte. Niemand hier kannte jemanden namens Devra, und so aß er Borschtsch und Blini und zog dann weiter.
Hier an der Küste gab es unzählige Cafés und Restaurants. In diesem Zentrum des Nachtlebens fand man jede Art von Club, die man sich nur wünschen konnte. Arkadin ging zu Fuß durch die klare Nacht, um einen Club namens »Calla« aufzusuchen. Die Lichtpunkte auf dem Schwarzen Meer und am Himmel sorgten für einen fast schwindelerregenden Ausblick. Himmel und Meer schienen ineinander zu verschwimmen.
Der Eingang zum Club lag ein paar Stufen unterhalb des Bürgersteigs. Wenn man eintrat, wurde man sofort von süßlichem Marihuanaduft und unerträglichem Lärm empfangen. Ein annähernd quadratischer Raum war in eine randvolle Tanzfläche und einen erhöhten Abschnitt mit winzigen runden Tischen und Metallstühlen unterteilt. Ein Gitter aus farbigen Lichtern pulsierte im Rhythmus der House Music, für die der zaundürre weibliche DJ sorgte. Die junge Frau stand hinter einem kleinen Tisch mit iPod und digitalem Mischpult.
Die Tanzfläche war voll mit jungen Männern und Frauen. Es ließ sich kaum vermeiden, ständig gegen irgendjemandes Hüfte oder Ellbogen zu stoßen. Arkadin kämpfte sich zur Bar durch, die an der Wand zur
Weitere Kostenlose Bücher