Das Bourne-Attentat
Ungeziefer gab, nicht zu trösten. Die Ratten hausten in ihm und kamen immer wieder aus ihren Winkeln hervor.
In seinem Bemühen, Arkadin von seinen Wutanfällen zu heilen, engagierte Ikupow als Nächstes eine Frau, deren Sinnlichkeit sie, so dachte er, vor Arkadins Ausbrüchen schützen würde. Marlene hatte Erfahrung im Umgang mit Männern und ihren Ticks und Macken. Sie hatte die unheimliche Gabe, zu spüren, was ein Mann am meisten brauchte, und genau an diesem Punkt anzusetzen.
Zuerst traute Arkadin ihr nicht. Warum sollte er auch? Er hatte auch dem Psychiater nicht getraut. War sie nicht auch irgendeine Art Analytikerin, die hier war, um ihm die Geheimnisse seiner Vergangenheit zu entlocken? Marlene spürte sofort seine Abneigung und machte sich daran, etwas dagegen zu tun. Sie hatte den Eindruck, dass Arkadin wie unter einem Bann lebte, den er sich selbst oder andere ihm auferlegt hatten. Ihre Aufgabe war es, ein Gegenmittel zu finden.
»Das wird eine Weile dauern«, sagte sie nach der ersten Woche zu Ikupow, und er glaubte ihr.
Arkadin beobachtete, dass Marlene in ganz langsamen Schritten vorwärtsging. Er vermutete, dass sie klug genug war, zu wissen, dass die kleinste falsche Bewegung ein Erdbeben in ihm auslösen konnte, das all ihre Bemühungen, sein Vertrauen zu gewinnen, mit einem Schlag zunichtegemacht hätte. Sie erschien ihm sehr wachsam, so als wäre ihr bewusst, dass er sich jederzeit gegen sie wenden konnte. Sie benahm sich so, als wäre sie mit einem Bären in einem Käfig. Tag für Tag machte das Tier kleine Fortschritte, doch das hieß nicht, dass es nicht eines Tages unerwartet über einen herfallen konnte.
Arkadin musste lachen über die Sorgfalt, mit der sie jedes kleine Detail, das sie über ihn erfuhr, behandelte. Doch mit der Zeit wurde ihm etwas anderes bewusst. Er hatte das Gefühl, dass sie etwas Echtes für ihn zu empfinden begann.
Devra beobachtete Arkadin durch die Windschutzscheibe. Schließlich trat sie die Autotür auf und ging zu ihm. Sie schirmte die Augen vor der grellen Sonne ab.
»Was ist denn?«, fragte sie, als sie bei ihm war. »Was habe ich denn gesagt?«
Sie verspürte den Drang, ihn zu berühren und etwas Tröstendes zu sagen, damit er sich beruhigte, doch sie spürte, dass sie ihn damit nur noch wütender gemacht hätte. Und so ging sie wieder zum Auto und wartete geduldig, dass er zurückkam.
Das tat er schließlich auch und setzte sich seitlich auf den Sitz, die Schuhe draußen auf dem Asphalt, so als könnte er jeden Moment wieder aufspringen.
»Ich werde dich nicht vögeln«, sagte er, »aber das heißt nicht, dass ich’s nicht will.«
Sie spürte, dass er noch etwas sagen wollte, aber nicht konnte, weil es mit etwas zu tun hatte, was ihm vor langer Zeit zugestoßen war.
»Das war nur ein Scherz vorhin«, sagte sie. »Ein dummer Scherz.«
»Es gab Zeiten, da hätte ich mir nichts dabei gedacht«, sagte er, als spreche er mit sich selbst. »Sex ist unwichtig.«
Sie spürte, dass er eigentlich etwas anderes meinte, etwas, von dem nur er wusste, und ihr wurde bewusst, wie allein er sein musste. Sie vermutete, dass er sich auch in einer Gruppe, sogar mit Freunden – wenn er welche hatte – allein fühlen würde. Es kam ihr so vor, als würde er das sexuelle Zusammensein meiden, weil es ihm vielleicht noch stärker bewusst machte, wie allein er im Grunde war. Er kam ihr vor wie ein Planet ohne Mond und ohne Sonne, um die er kreisen konnte. Da war nichts als Leere, so weit er sehen konnte. In diesem Moment wurde ihr bewusst, dass sie ihn liebte.
»Wie lang ist er schon da drin?«, fragte LaValle.
»Sechs Tage«, antwortete General Kendall. Er hatte die Hemdsärmel aufgekrempelt, die trotzdem einige Blutspritzer abbekommen hatten. »Aber ihm kommt es mit Sicherheit wie sechs Monate vor. Er ist so orientierungslos, wies ein Mensch nur sein kann.«
LaValle blickte durch das Einwegfenster auf den bärtigen Araber in der Zelle. Der Mann sah aus wie ein rohes Stück Fleisch. LaValle wusste nicht, ob er Sunnit oder Schiit war, und es war ihm auch egal. Sie waren für ihn alle gleich – Terroristen, die es darauf abgesehen hatten, seine Lebensart zu zerstören. Solche Dinge nahm er sehr persönlich.
»Was hat er schon verraten?«
»Genug, dass wir wissen, dass das Typhon-Abhörmaterial, das Batt uns gegeben hat, reine Fehlinformation ist.«
»Trotzdem«, wandte LaValle ein, »es kommt immerhin direkt von Typhon.«
»Dieser Mann steht weit oben in der
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