Das Bourne Duell
Der Namenlose machte die Käfigtür auf und versuchte den Skorpion mit einem Kugelschreiber dazu zu bewegen, den Käfig zu verlassen. »Aber wenn Sie uns nicht verraten, wo sich Arkadin versteckt, dann werden Sie Anfälle bekommen, Ihr Herz wird rasen, Ihr Blutdruck wird ansteigen, Sie werden alles nur noch verschwommen sehen – muss ich noch mehr sagen?«
Der Skorpion war hart und glänzend schwarz, sein Schwanz bog sich hoch über dem Rückenschild. Als das
Sonnenlicht auf das Tier fiel, schien es zu leuchten wie von einer inneren Lichtquelle. Soraya versuchte den Skorpion nicht anzusehen und die Angst zu bezähmen, die in ihr aufstieg. Doch sie kam instinktiv und war deshalb umso schwerer zu beherrschen. Soraya hörte ihren Herzschlag in den Ohren dröhnen und spürte einen Schmerz unter dem Brustbein, als die Angst wuchs. Sie biss sich auf die Lippe.
»Und wenn Sie mehrmals gestochen werden, ohne dass es behandelt wird – wer weiß, wie sehr Sie dann leiden werden?«
So grazil wie eine Balletttänzerin bewegte sich das Tier auf seinen acht Beinen vorwärts, bis es in dem Tal zwischen Sorayas Brüsten stand. Sie unterdrückte den Drang zu schreien.
Oliver Liss saß mit einem Handtuch um den Hals auf einer schmalen Bank im Krafttrainingsraum seines Fitnessstudios. Seine Brust und seine Arme glänzten vom Schweiß. Er war mitten in der dritten Serie seines Bizepstrainings, als die Rothaarige hereinkam. Sie war groß, breitschultrig, hatte eine aufrechte Haltung und einen tollen Vorbau. Er hatte sie schon einige Male hier gesehen. Für hundert Dollar hatte ihm der Manager verraten, dass sie Abby Sumner hieß, vierunddreißig Jahre alt und geschieden war und keine Kinder hatte. Sie gehörte dem riesigen Heer von Anwälten an, die für das Justizministerium arbeiteten. Er vermutete, dass ihre langen Arbeitstage einer der Gründe für ihre Scheidung waren, aber ihm war das nur recht. Dadurch würde sie weniger Ansprüche auf seine eigene Zeit stellen, wenn die Affäre einmal begonnen hatte. Denn er hatte keine
Zweifel, dass sie beginnen würde – es war lediglich eine Frage der Zeit.
Liss beendete die Übung, legte die Hanteln zurück und trocknete sich mit dem Handtuch ab, während er die Lage sondierte. Abby hatte sich für das Bankdrücken entschieden und ging in Position, nachdem sie ihr Gewicht gewählt hatte. Das war Liss’ Stichwort. Er stand auf, schlenderte zu ihr hinüber und sah mit seinem strahlenden Schauspielerlächeln zu ihr hinunter. »Brauchen Sie einen Helfer?«, fragte er.
Abby Sumner blickte mit ihren großen blauen Augen zu ihm auf. Dann erwiderte sie sein Lächeln.
»Danke. Das wäre wirklich nicht schlecht; ich bin gerade mit dem Gewicht hinaufgegangen.«
»Es kommt nicht so oft vor, dass man eine Frau beim Bankdrücken sieht, außer sie trainiert ernsthaft.«
»Ich hab in der Arbeit einiges zu stemmen«, sagte sie, immer noch lächelnd.
Liss lachte leise. Sie hob die Langhantel aus der Ablage und begann mit ihrer Übung, während er die Hände zur Absicherung etwas unterhalb der Stange hielt. »Das klingt so, als sollte ich mich hüten, Ihnen in die Quere zu kommen.«
»Ja«, sagte sie, »das sollten Sie.«
Sie schien kaum Probleme mit dem gesteigerten Gewicht zu haben. Liss musste sich zwingen, nicht ständig auf ihre Brüste zu starren.
»Sie krümmen den Rücken ein bisschen zu stark«, meinte er.
Sie streckte den Rücken durch. »Das mach ich immer, wenn ich das Gewicht steigere«, sagte sie. »Danke.«
Sie beendete ihre erste Serie von acht Wiederholungen,
und er half ihr, das Gewicht auf die Halterung zu legen. Während sie kurz verschnaufte, sagte er: »Mein Name ist Oliver, und ich würde Sie gern einmal zum Essen einladen.«
»Das könnte durchaus interessant sein.« Abby sah ihn an. »Leider pflege ich Berufliches von Privatem zu trennen.«
Als er sie fragend ansah, stand sie von der Bank auf. Sie war wirklich eine imposante Frau, dachte Liss. Sie blickte zur Saftbar hinüber, wo ein adretter Mann saß und aus einem leuchtend grünen Glas seinen Weizengrassaft trank. Er leerte sein Glas und schlenderte auf sie zu.
Abby hob ihre Sporttasche auf die Bank, griff hinein und zog mehrere zusammengefaltete Blätter Papier heraus, die sie Liss reichte.
»Oliver Liss, mein Name ist Abigail Sumner. Dieser Haftbefehl des Generalbundesanwalts der Vereinigten Staaten ermächtigt mich und Jeffrey Klein« – sie zeigte auf den Weizengrassaft-Trinker, der nun neben ihr
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