Das Bourne Duell
stand –, »Sie festzunehmen; gegen Sie ist eine Untersuchung im Gange, die Ihre Zeit als Direktor von Black River betrifft.«
Liss starrte sie an. »Das ist doch Unsinn. Es wurde alles untersucht – ich wurde von jedem Verdacht freigesprochen.«
»Es sind neue Vorwürfe aufgetaucht.«
»Welche Vorwürfe?«
Sie zeigte mit einem Kopfnicken auf die Papiere, die sie ihm gegeben hatte. »Das finden Sie alles hier auf dieser Liste.«
Er faltete die Seiten auseinander, konnte sich aber kaum auf das konzentrieren, was da geschrieben stand.
Er drückte ihr die Papiere in die Hand. »Das muss ein Irrtum sein. Ich gehe nirgendwohin mit Ihnen.«
Klein zog Handschellen hervor.
»Bitte, Mr. Liss«, sagte Abby, »machen Sie es sich nicht noch schwerer.«
Liss blickte nach links und rechts, so als überlegte er, ob er fliehen sollte, oder als erwarte er, dass Jonathan, sein Schutzengel, auftauchte und ihn aus seiner Notlage befreite. Wo war er nur? Warum hatte er Liss nicht vor dieser neuen Untersuchung gewarnt?
Oberst Boris Karpow kehrte bedrückt nach Moskau zurück. Sein Besuch bei Leonid Arkadin war in vielerlei Hinsicht ernüchternd gewesen, und jetzt steckte er fürchterlich in der Klemme. Maslow hatte eine ganze Reihe von hochrangigen Beamten im FSB-2 bestochen, darunter auch Melor Bukin, Karpows direkten Vorgesetzten. Die Beweise, die Arkadin ihm vorgelegt hatte, waren absolut unwiderlegbar.
Karpow saß auf dem Rücksitz des schwarzen Zil und starrte aus dem Fenster, ohne etwas zu sehen, während sein Fahrer vom Flughafen Scheremetjewo in die Stadt fuhr.
Arkadin hatte vorgeschlagen, dass Karpow mit dem Beweismaterial direkt zu Präsident Imow gehen solle. Allein die Tatsache, dass Arkadin das vorschlug, machte Karpow misstrauisch, aber vielleicht würde er es trotzdem tun, auch wenn er Arkadin damit vielleicht aus irgendeinem Grund einen Gefallen tat. Trotzdem war die Sache auch für ihn äußerst brisant; wahrscheinlich war nicht nur seine Karriere, sondern auch seine persönliche Sicherheit in Gefahr.
Er hatte zwei Möglichkeiten. Er konnte mit den Beweisen gegen Bukin zu Viktor Tscherkesow gehen, dem Leiter des FSB-2. Das Problem dabei war, dass es Tscherkesow war, der Bukin in seine Position gebracht hatte. Wenn die Beweise gegen Bukin in die Öffentlichkeit kamen, stand zwangsläufig auch Tscherkesow unter Verdacht. Egal ob er von Bukins doppeltem Spiel wusste oder nicht – er würde zurücktreten müssen. Damit das nicht passierte, würde er wahrscheinlich versuchen, die vernichtenden Beweise gegen seinen Freund zu beseitigen – und das hieß, dass auch Karpow selbst zum Schweigen gebracht werden musste.
Er musste sich eingestehen, dass Arkadin recht hatte. Mit dem Beweismaterial zu Präsident Imow zu gehen war wohl die sicherste Variante, denn Imow würde froh sein über diese Gelegenheit, Tscherkesow zu Fall zu bringen. Ja, er würde vielleicht so dankbar sein, dass er jemandem, dem er vertraute – wie zum Beispiel Karpow –, die Leitung des FSB-2 übertragen würde.
Je länger Karpow darüber nachdachte, desto sinnvoller erschien es ihm. Und doch war da eine mahnende Stimme im Hinterkopf, die ihn darauf hinwies, dass er, wenn diese ganze Sache vorbei war, in Arkadins Schuld stehen würde. Er wusste instinktiv, dass das keine gute Position war. Allerdings nur, wenn Arkadin noch lebte.
Er lachte leise, ehe er dem Fahrer sagte, dass er zuerst zum Kreml fahren solle. Er lehnte sich zurück, zog sein Telefon heraus und rief das Büro des Präsidenten an.
Eine halbe Stunde später betrat er den präsidialen Amtssitz, wo ihn zwei Wächter in ein kühles Vorzimmer führten. Über seinem Kopf hing wie ein riesiges
Spinnennetz ein prächtiger Kronleuchter, dessen Licht auf die kunstvollen Sitzmöbel im italienischen Stil fiel, die mit Seide und Brokat bezogen waren.
Er setzte sich, während die Wächter an entgegengesetzten Enden des Raumes in Position gingen und ihn nicht aus den Augen ließen. Eine Uhr auf dem Kaminsims tickte traurig vor sich hin und schlug zur halben Stunde, dann zur vollen Stunde. Karpow sank in eine Art Meditation, so wie er es in den einsamen Nachtwachen während seiner zahllosen Auslandseinsätze gemacht hatte. Neunzig Minuten nach seiner Ankunft trat ein junger Mann mit einer Pistole im Halfter auf ihn zu. Karpow war augenblicklich hellwach und folgte ihm über so viele Gänge und um so viele Ecken, dass er kaum noch wusste, wo er sich in dem riesigen Palast
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