Das Bourne Duell
verachtete Männer, die so verkommen waren. Er war ein Mann mit moralischen Prinzipien. Das half ihm, seine Arbeit zu machen und in einer verrückten Welt nicht selbst verrückt zu werden. Sein Privatleben war absolut durchschnittlich und so langweilig wie der graue Alltag eines Busfahrers. Er hatte eine Frau, die er auf der Highschool kennengelernt hatte, zwei Kinder und einen Hund namens Ralph. Er hatte eine Hypothek zurückzuzahlen, eine schrullige Mutter zu unterstützen und einen Bruder, den er alle vierzehn Tage in der Klapsmühle besuchte, auch wenn man das heutzutage nicht mehr so nannte. Wenn er von einem langen, anstrengenden und nicht selten blutigen Auftrag nach Hause kam, dann küsste er seine Frau auf die Lippen und ging zu seinen Kindern – egal ob sie spielten, vor dem Fernseher saßen oder schliefen –, beugte sich über sie und atmete ihren milchig-süßen Duft ein. Dann aß er, was seine Frau für ihn gekocht hatte, ging mit ihr nach oben und fickte sie bis zur Besinnungslosigkeit.
Er zündete sich eine neue Zigarette an der alten an und blickte auf Mutter und Tochter hinunter, die ausgestreckt auf ihren Betten lagen. Das Mädchen war noch ein unschuldiges Kind. Die Vorstellung, ihr wehzutun, war etwas Abstoßendes für ihn. Und die Mutter gefiel ihm nicht – sie war zu dünn und blass. Er würde sie jemand anderem überlassen. Es sei denn, Bourne zwang ihn, sie zu töten.
Er ging wieder hinunter und warf einen Blick in die Speisekammer. Er öffnete eine Dose Bohnen in Tomatensoße
und aß den Inhalt kalt mit den Fingern. Währenddessen lauschte er auf jedes noch so kleine Geräusch um ihn herum, schnupperte da und dort und prägte sich die Gerüche in jedem Zimmer ein. Kurz gesagt, er strich durch das Haus, bis ihm jede Kleinigkeit vertraut war. Jetzt war es sein Territorium, sein Schlachtfeld, auf dem er triumphieren würde.
Er kehrte ins Wohnzimmer zurück und schaltete alle Lampen ein. In dem Moment hörte er einen Schuss. Er sprang auf, riss seine Glock aus dem Lederhalfter, zog den Vorhang zurück und lugte durch das Fenster hinaus. Er spannte sich an, als er Jason Bourne im Zickzack zur Haustür sprinten sah. Mit quietschenden Reifen wurde ein grauer Opel herumgerissen, die Fahrertür ging auf, und der Fahrer feuerte einen Schuss auf Bourne ab. Er verfehlte ihn. Dann war Bourne auf der Treppe, und Coven ging mit der Pistole im Anschlag zur Tür. Er hörte noch zwei Schüsse, duckte sich und riss die Haustür auf. Bourne lag mit dem Gesicht nach unten auf den Stufen, einen Blutfleck auf der Jacke.
Coven duckte sich noch tiefer, als wieder ein Schuss krachte. Dann stürmte er hinaus und erwiderte das Feuer. Der Schütze wich rasch in seinen Wagen zurück. Coven packte Bourne mit seiner freien Hand an der Jacke und zog ihn über die Türschwelle. Er feuerte noch einmal, dann hörte er, wie der Opel davonbrauste, und trat die Haustür hinter sich zu.
Coven überprüfte Bournes Puls, dann ging er zum Fenster und zog den Vorhang zurück, doch von dem Opel und dem Mann, der geschossen hatte, war nichts mehr zu sehen.
Er wandte sich wieder Bourne zu, beugte sich über ihn
und drückte ihm die Pistole an die Schläfe. Als er ihn umdrehte, flackerte das Licht und ging aus, um sich gleich wieder einzuschalten. Aus dem Keller hörte er das mühsame Ticken des Generators. Er war einen Moment lang durch den plötzlichen Stromausfall abgelenkt – da schlug ihm Bourne die Pistole weg und versetzte ihm einen mächtigen Schlag gegen das Brustbein.
»Der Mann, den Sie suchen, ist in Puerto Peñasco.« Antonio gab Soraya ihr Handy zurück. »Mein Kumpel, der Hafenmeister des Jachthafens, kennt den Gringo. Er hat sich im alten Santa-Teresa-Kloster einquartiert, das seit Jahren leer steht. Er hat ein Schnellboot, mit dem er jeden Abend kurz nach Sonnenuntergang hinausfährt.«
Sie saßen in einer sonnigen Cantina in der Calle de Ana Gabriela Guevara in Nogales. Antonio hatte sich um Soraya gekümmert und ihr Eis für die Stelle zwischen den Brüsten besorgt, wo der Skorpion sie gestochen hatte. Der rötliche Fleck schwoll nicht an, und die Symptome, die sie anfangs gespürt hatte, waren jetzt fast weg. Sie ließ sich von Antonio außerdem sechs Flaschen Wasser besorgen, um ihre Dehydrierung zu bekämpfen und das Gift schneller aus dem Körper zu spülen.
Nach einer Stunde fühlte sie sich besser. Sie kaufte sich neue Kleider in einem Geschäft an der Plaza Kennedy, dann gingen sie
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