Das Bourne Duell
selbst bewusst geworden war.
Arkadin wischte sich erneut den Mund ab. »Nordafrika. Interessant. Meine ehemaligen Partner haben eine Menge Geschäfte in Nordafrika gemacht. Ihre Methoden haben mir nicht gefallen – oder, um ehrlich zu sein, die Leute, mit denen sie zu tun hatten. Das war einer der Gründe, warum ich beschlossen habe, sie rauszukaufen.«
Er war sehr beweglich, dachte Soraya, jederzeit in der Lage zu improvisieren. Das Gespräch gefiel ihr immer besser.
»In was für einer Branche sind Sie tätig?«, fragte sie.
»Computer und alles, was damit zu tun hat.«
Na klar , dachte sie amüsiert. Sie machte ein nachdenkliches Gesicht. »Also, ich könnte Sie vielleicht mit ein paar zuverlässigen Leuten zusammenbringen, wenn Sie möchten.«
»Vielleicht könnten wir zwei ins Geschäft kommen.«
Angebissen! , dachte sie erfreut. Jetzt galt es, den Hai an Land zu ziehen, aber langsam und ganz vorsichtig.
»Hm. Ich weiß nicht, ich hab kaum noch Kapazitäten frei.«
»Dann müssen Sie erweitern.«
»Na klar. Mit welchem Kapital?«
»Das Kapital hätte ich.«
Sie beäugte ihn argwöhnisch. »Nein, ich weiß nicht. Wir wissen überhaupt nichts voneinander.«
Er legte Messer und Gabel beiseite und lächelte. »Dann beginnen wir unsere Zusammenarbeit doch damit, dass wir uns besser kennenlernen.« Er hob einen Finger. »Außerdem möchte ich Ihnen gern etwas zeigen – das könnte Sie vielleicht überzeugen, mit mir Geschäfte zu machen.«
»Und was könnte das sein?«
»Oh, das ist eine Überraschung.«
Er rief den Kellner und bestellte zwei Espresso, ohne sie zu fragen, ob sie einen wollte. Sie wollte tatsächlich einen, vor allem um ihre Sinne zu schärfen, denn sie wusste genau, dass irgendwann an diesem Abend der Moment kommen würde, wo sie sich seinen Annäherungsversuchen entziehen musste, aber auf eine Weise, die ihn nicht zurückstieß, sondern ermutigte.
Sie plauderten in einer angenehmen Atmosphäre, während sie ihre Espresso tranken. Er wirkte überaus entspannt, und deshalb erlaubte es sich Soraya ebenfalls, sich zu entspannen – zumindest soweit ihr das möglich war, denn ihre Nerven waren immer noch angespannt wie Drahtseile. Er war ein Mann von enormem Charme und Charisma. Sie konnte verstehen, dass so viele Frauen sich von ihm magnetisch angezogen fühlten. Aber gleichzeitig erkannte der Teil von ihr, der das Ganze distanziert beobachtete, dass das alles nur Theater war und dass sie hier nicht den wahren Arkadin zu sehen bekam. Nach einer Weile fragte sie sich, ob ihn
überhaupt schon jemand zu Gesicht bekommen hatte, wie er wirklich war. Der Mann ließ im Grunde niemanden an sich heran – ja, vielleicht wusste er selbst nicht mehr, wer er wirklich war. Und in diesem Augenblick kam er ihr wie ein verirrter kleiner Junge vor, der den Weg nach Hause nicht mehr finden konnte.
»Nun«, sagte er und stellte die leere Tasse ab, »wollen wir gehen?« Er legte ein paar Scheine auf den Tisch und stand auf, ohne auf eine Antwort zu warten. Er hielt ihr die Hand hin, und sie zögerte einen Augenblick, ehe sie sie nahm und sich von ihm aufhelfen ließ.
Die Nacht war mild und windstill und lag wie ein Samtvorhang über der Stadt. Am Himmel war kein Mond zu sehen, doch die Sterne funkelten in der Dunkelheit. Sie spazierten ein Stück vom Wasser weg und dann Richtung Norden, parallel zum Strand. Die Lichter von Puerto Peñasco sahen aus wie auf einem Gemälde, wie von einer anderen Welt.
Sie verließen den Lichtschein der Straßenlaternen und hatten nur noch die Sterne über sich, bis plötzlich ein großes beleuchtetes Steingebäude vor ihnen auftauchte, das etwas Religiöses ausstrahlte. Sie sah das Kreuz im Stein über der Tür aus Holz und Eisen.
»Das war einmal ein Kloster«, erklärte Arkadin und trat zur Seite, um ihr den Vortritt zu lassen. »Mein Zuhause fern von zu Hause.«
Das Haus war karg eingerichtet, aber es duftete nach Weihrauch und Kerzenwachs. Sie sah einen Schreibtisch, mehrere Lehnstühle, einen Esstisch und acht Stühle, außerdem ein Sofa, das an eine Kirchenbank erinnerte, mit Kissen, die nicht zusammenpassten. Alles
war aus einem schweren dunklen Holz und sah nicht unbedingt einladend aus. Arkadin zündete dicke cremefarbene Kerzen in verschieden hohen eisernen Kerzenständern an. Das alles verstärkte das mittelalterliche Flair dieser alten Steinmauern, und Soraya lächelte innerlich; sie vermutete, dass er ein romantisches Ambiente schaffen wollte, um sie
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