Das Bourne Duell
gestorben waren. Zum Glück zählte Soraya nicht dazu, aber Marks war durchaus besorgt, dass es ihr eines Tages genauso ergehen könnte.
»Schlechte Neuigkeiten?«, fragte Don Fernando Herrera.
»Eigentlich immer das Gleiche«, sagte Marks. »Ich muss zu einem Treffen.«
Sie saßen im Wohnzimmer von Diego Herreras Haus, von Fotos umgeben, auf denen der tote junge Mann zu sehen war. Marks fragte sich, ob es für den Vater schmerzhaft oder tröstlich war, hier zu sein.
»Señor Herrera, bevor ich gehe – können Sie mir noch irgendetwas über Ihren Patensohn sagen? Wissen Sie vielleicht, warum er gestern Abend im Vesper-Klub war oder warum er Diego erstochen haben könnte? Was für ein Verhältnis hatten die beiden zueinander?«
»Gar keins, um auf Ihre letzte Frage zu antworten.«
Herrera nahm sich eine Zigarette und zündete sie an, ohne sie jedoch zu rauchen. Seine Augen schweiften durch den Raum, als hätte er Angst, den Blick zu lange auf irgendetwas ruhen zu lassen. Marks vermutete, dass er nervös war. Aber warum?
Herrera musterte Marks einige Augenblicke. Die Asche von seiner ungerauchten Zigarette fiel geräuschlos
auf den Teppich zwischen seinen Füßen. »Diego hat gar nicht von Ottavio gewusst, jedenfalls nicht von mir.«
»Warum hätte Ottavio Diego denn dann umbringen sollen?«
»Das hätte er nie getan, darum weigere ich mich, es zu glauben.«
Herrera wies seinen Fahrer an, Marks zur nächsten Autovermietung zu fahren. Er bestand darauf, dass er und Marks ihre Telefonnummern austauschten. Herreras Beteuerung, dass es für den Mord an seinem Sohn eine andere Erklärung geben müsse, ging Marks nicht aus dem Kopf, als er die Adresse, die Bourne ihm angegeben hatte, in das GPS-Programm seines PDA eingab.
»Ich will, dass Sie mich über Ihre Ermittlungen auf dem Laufenden halten«, sagte Herrera. »Sie haben mir versprochen, dass Sie den Mörder meines Sohnes finden werden. Und von einem Versprechen erwarte ich, dass es gehalten wird.«
Marks zweifelte nicht daran, dass es ihm sehr ernst war.
Er war etwa fünfzehn Minuten mit seinem Mietwagen unterwegs, als sein PDA summte, es war eine SMS von Soraya. Wenige Minuten später rief Willard an.
»Wie sieht’s aus?«
»Ich habe Kontakt«, berichtete Marks; er meinte Bourne.
»Du weißt, wo er ist?«, fragte Willard sofort.
»Noch nicht«, log Marks. »Aber ich werde es bald wissen.«
»Gut, dann werd ich die nächsten Schritte angehen.«
»Welche?«, fragte Marks.
»Die Mission hat sich ein wenig geändert. Du musst eine Begegnung zwischen Bourne und Arkadin zustande bringen.«
Marks suchte nach irgendeiner verborgenen Bedeutung in Willards Worten. Daheim in Washington hatte sich offenbar irgendetwas getan. Er hasste dieses Gefühl, im Ungewissen und damit im Nachteil zu sein. »Was ist mit dem Ring?«
»Hörst du mir nicht zu?«, versetzte Willard. »Tu einfach, was man dir sagt.«
Jetzt war sich Marks sicher, dass Willard ihm etwas Wichtiges vorenthielt. Er spürte den alten Zorn, wie er ihn immer schon empfunden hatte, wenn seine Vorgesetzten ihn über ihre Absichten im Dunkeln ließen.
»Hat Soraya Moore schon Kontakt mit ihrem Ziel?«, fragte Willard weiter.
»Ja. Ich habe gerade eine SMS von ihr bekommen.«
»Setz dich mit ihr in Verbindung. Ihr müsst euer Vorgehen koordinieren und die zwei Männer dazu bringen, dass sie an den folgenden Ort kommen.« Er nannte Marks eine Adresse. »Wie ihr das macht, das überlasse ich euch, aber es gibt da ein paar Dinge, die Arkadin interessieren dürften.« Er erzählte Marks, was ihm El-Arian über die fehlende Information verraten hatte, ohne die die Datei auf dem Laptop wertlos war. »Ihr habt zweiundsiebzig Stunden.«
»Zweiundsiebzig …?« Doch er sprach bereits mit der Luft; Willard hatte das Gespräch beendet.
An der nächsten Kreuzung studierte Marks die GPS-Karte auf seinem PDA, um sicherzugehen, dass er keine Abzweigung verpasst hatte, während er mit Willard gesprochen hatte. Der Morgen hatte sonnig begonnen,
doch inzwischen waren Wolken aufgezogen, die alles in ein graues Licht tauchten. Jetzt ließ ein leichter Nieselregen die Kanten der Häuser und Schilder leicht verschwommen erscheinen.
Die Ampel sprang auf Grün um, und als er die Kreuzung überquert hatte, fiel ihm ein weißer Ford auf, der die Spur wechselte und nun direkt hinter ihm war. Mit seinem geschulten Auge erkannte er sofort, dass er verfolgt wurde. Er hatte den weißen Ford schon vorher gesehen, als noch
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