Das Bourne Duell
die eine, mal in die andere Richtung neigt.«
Essai stand auf, trat ans Bett und riss dem Gefangenen das Klebeband vom Mund.
»Ich weiß, du fragst dich, warum du so einen komischen Geschmack im Mund hast.« Er lächelte. »Du hast eine Flasche Rizinusöl geschluckt. Deswegen die Windel. Es wird nicht lang dauern, dann kommt ziemlich übles Zeug aus dir raus. Die Windel wird es auffangen, zumindest einen Teil. Ich fürchte, sie wird nicht alles
aufnehmen können, und dann …« Er zuckte die Achseln.
»Was immer du von mir willst – du wirst es nicht bekommen.«
»Bravo! Das nenne ich Kampfgeist! Aber dein Pech ist, dass ich schon bekommen habe, was ich will. So wie die anderen, die El-Arian anheuern wollte oder die er mir geschickt hat, um mich auszuschalten, wirst du vor seiner Tür abgelegt. Das geht so lange weiter, bis er damit aufhört und mich vergisst.«
»Das wird er nicht tun.«
»Dann haben wir noch einen langen Weg vor uns, er und ich.« Essai knüllte das Klebeband zusammen und warf es weg. Die Rolle stopfte er zurück in die schwarze Tasche. »Dafür ist dein Weg umso kürzer.«
»Mir ist nicht gut«, sagte Willard mit einer eigenartigen Stimme, wie ein quengeliges Kind, das mit sich selbst spricht.
»Ja«, sagte Essai und ging vom Bett weg, »das kann ich mir vorstellen.«
SIEBENUNDZWANZIG
Es war noch dunkel, als Bourne am nächsten Morgen in Heathrow ankam. Wie so oft in den letzten Tagen regnete es leicht, und er war froh, von London wegzukommen. Sein Flug nach Marrakesch ging um sieben Uhr fünfundzwanzig, Ankunft dreizehn Uhr fünfzehn mit einem Zwischenstopp in Madrid. Es gab keine direkten Linienflüge von London aus.
Er saß im einzigen Café, das um diese Zeit geöffnet war, und trank seinen zu stark gerösteten Kaffee, der wie Asche schmeckte, als Don Fernando Herrera hereinkam und sich ohne ein Wort des Grußes zu ihm an den blassen Kunststofftisch setzte.
»Es tut mir sehr leid, was passiert ist«, sagte Bourne.
Don Fernando sagte nichts. Er wirkte irgendwie verloren in seinem eleganten Anzug und um Jahre gealtert, seit Bourne ihn zum letzten Mal gesehen hatte, obwohl nur wenige Wochen vergangen waren. Herrera starrte geistesabwesend auf die Koffer in einem Schaufenster gegenüber.
»Wie haben Sie mich gefunden?«, fragte Bourne.
»Ich hab mir schon gedacht, dass Sie nach Marrakesch wollen.« Ganz abrupt wandte er sich Bourne zu. »Warum haben Sie meinen Sohn umgebracht?«, fragte
er. »Er wollte Ihnen nur helfen, so wie ich es ihm geraten habe.«
»Ich habe ihn nicht umgebracht, Don Fernando.« In diesem Augenblick spürte Bourne das Messer an der Innenseite seines Oberschenkels. »Finden Sie das klug?«
»Was klug ist, interessiert mich längst nicht mehr, junger Mann.« Seine Augen waren blass, wässrig und voller Schmerz. »Ich bin ein Vater, der um seinen toten Sohn trauert. Das ist alles, was ich bin – das Einzige, was mir in diesem Leben noch bleibt.«
»Ich hätte Diego niemals etwas getan«, sagte Bourne. »Ich glaube, das wissen Sie.«
»Es kommt niemand infrage außer Ihnen.« Don Fernandos Stimme war zwar leise, doch sie klang wie ein einziger Schmerzensschrei. »Verräter! Verräter!« Er schüttelte den Kopf. »Außer Ihnen käme nur Ottavio Moreno infrage, und er ist mein Patensohn. Er würde Diego nie ein Haar krümmen.«
Bourne saß still da und spürte das Blut, das an seinem Bein hinunterlief. Er hätte das Ganze sofort beenden können, doch er wollte die Situation anders lösen, weil ihn Gewalt im Grunde nicht weitergebracht hätte. Er mochte Don Herrera; er konnte einfach nicht die Hand gegen ihn erheben. »Und doch war es Ottavio Moreno, der Diego erstochen hat«, sagte er.
»Sie lügen!« Der alte Mann zitterte. »Was für einen Grund …?«
»Severus Domna.«
Don Herrera blinzelte, und seine rechte Wange begann zu zucken. »Was sagen Sie da?«
»Ich sehe, Sie haben von Severus Domna gehört.«
Der alte Mann nickte. »Ich habe in der Vergangenheit mit einigen Mitgliedern die Klingen gekreuzt.«
Bourne fand das überaus interessant. Jetzt war er doppelt froh, dass er abgewartet hatte. »Ich habe etwas, das Severus Domna will«, sagte er. »Ihre Leute haben mich hier überall verfolgt, in London und Oxford. Irgendwie ist einer von ihnen an Diego herangekommen. Seine Aufgabe war es, mich zum Vesper-Klub zu bringen, wo sie auf mich gewartet haben. Ottavio hat es herausgefunden. Er hat vielleicht voreilig gehandelt, aber er hat mich
Weitere Kostenlose Bücher