Das Bourne Duell
getroffen.
»Wer von euch glaubt, er kann auch nur pinkeln gehen ohne meinen Befehl, der soll vortreten.«
Keiner rührte sich.
»Wer von euch glaubt, er braucht meine Befehle nicht zu befolgen, der soll vortreten.«
Keiner wagte auch nur zu atmen.
»Jewgeni.« Er wandte sich einem stämmigen Mann mit einer Narbe unter dem Auge zu. »Bewaffne dich und deine zwei besten Männer. Du kommst mit mir.«
Dann schritt er zurück in sein Büro, öffnete den Schrank hinter dem Schreibtisch und überlegte, welche Waffe er wählen sollte. Wenn ihn das Debakel in Bangalore eines gelehrt hatte, dann dass man schwierige Aufgaben am besten selbst erledigt. Die Zeiten hatten sich geändert. Er wusste es schon länger, doch er hatte es zuerst nicht wahrhaben wollen. Alles war schwieriger geworden. Die Regierung hatte eine harte Linie eingeschlagen, seit die Silowiki, die neuen Mächtigen aus Politik, Geheimdienst und Militär, die leichter zugänglichen Oligarchen verdrängt hatten. Außerdem wurde es
immer schwerer, gute Leute zu finden. Die Zeiten, in denen sich leichtes Geld verdienen ließ, waren vorbei; heute musste man sich jeden Dollar hart erarbeiten. Er selbst hatte sein Arbeitspensum verdoppelt, um einen ähnlichen Profit zu machen wie vor zehn Jahren. Man konnte richtig nostalgisch werden. Es macht einfach keinen Spaß mehr, Verbrecher zu sein , dachte er, während er einen Schalldämpfer auf seine Makarow schraubte . Heute ist es nur noch Arbeit, sonst nichts . Er war zu einem Apparatschik degradiert worden, und das schmeckte ihm überhaupt nicht. Diese neue Realität war eine bittere Pille, die er zu schlucken hatte. Es war ermüdend, wenn man sich so anstrengen musste, um den Kopf über Wasser zu halten. Und zu allem Überfluss war ihm jetzt auch noch Boris Karpow ein Dorn im Auge.
Nachdem er seine Waffen gewählt hatte, knallte er die Schranktür zu. Wie er so die Makarow in der Hand hielt, spürte er neue Energie in sich. Nach so vielen Jahren hinter dem Schreibtisch tat es gut, wieder hinaus auf die Straße zu gehen, das Gesetz in die Hand zu nehmen und zu tun, was getan werden musste.
Der Friseursalon Metropol lag neben der riesigen, von Marmor und Goldbronze beherrschten Lobby des Moskva-Hotels, einem altehrwürdigen Haus zwischen dem Bolschoi-Theater und dem Roten Platz. Das Gebäude war so reich ausgeschmückt, dass man das Gefühl hatte, es könnte jeden Moment zusammenbrechen unter der Last der Gesimse, Balustraden, Fensterstürze und Brüstungen.
Der Friseursalon war mit drei altmodischen Friseurstühlen ausgestattet, hinter denen sich ein langer Spiegel
und die Schränke mit den verschiedenen Werkzeugen befanden: Scheren, Rasiermesser, hohe Glasgefäße mit einem flüssigen blauen Desinfektionsmittel, ordentlich gefaltete Handtücher, Bürsten, elektrische Haarschneidemaschinen, Talkpuder und mehrere Flaschen Rasierwasser.
Im Moment saß auf jedem der drei Stühle ein Mann mit einem schwarzen Nylonkittel. Den beiden Männern links und rechts wurden die Haare geschnitten, von Friseuren in der traditionellen weißen Uniform des Salons. Der Mann in der Mitte, der sich mit einem heißen Tuch auf dem Gesicht auf seinem Stuhl zurücklehnte, war Boris Karpow. Während sein Friseur ein Rasiermesser mit dem Streichriemen abzog, pfiff Karpow ein altes russisches Volkslied, das er aus seiner Kindheit kannte. Im Hintergrund liefen auf einem uralten Radio mit leichtem Rauschen die Nachrichten. Der Sprecher berichtete von den jüngsten Initiativen der Regierung zur Bekämpfung der wachsenden Arbeitslosigkeit. Zwei Männer, ein junger und ein alter, saßen auf Holzstühlen am anderen Ende des Salons und lasen die Prawda, während sie darauf warteten, dass sie an die Reihe kamen.
Jewgenis Männer hatten die Hotellobby zehn Minuten lang erkundet, um nach FSB-2-Agenten zu suchen. Sie fanden keine und gaben schließlich ihrem Chef ein Signal. Mit seinem langen Wintermantel betrat Jewgeni das Hotel zusammen mit einer Familie, die von einem ernst dreinblickenden Intourist-Führer begleitet wurde. Während der Führer mit der Familie zum Empfang ging, schritt Jewgeni direkt zum Friseursalon weiter und vergewisserte sich erst einmal, dass es wirklich
Boris Karpow war, der da auf dem mittleren Stuhl saß und sich rasieren ließ. Sobald der Friseur das Tuch von Karpows Gesicht nahm, drehte sich Jewgeni um und gab seinem Mann, der bei der Drehtür stand, ein Zeichen. Dieser Mann wiederum winkte Maslow, der aus seinem
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