Das Bourne Imperium
ist. ›Stellen Sie nur Ihre Streitkräfte auf, und dann werde ich durchbrechen.‹ Mit einem einzigen solchen Erfolg schafft er aufs neue die Legende von seiner Unbesiegbarkeit. Das kann nur er sein.«
»Fangen Sie von vorn an«, befahl Bourne.
»Ja, während wir uns anziehen«, sagte der Franzose, zog sein Hemd aus und schnallte den Hosengurt auf. »Schnell! Ich habe ein Motorboot auf der anderen Straßenseite. Vierhundert PS. Wir können in fünfundvierzig Minuten in Kowloon sein. Hier! Das ist Ihre! Mon dieu, das Geld, das ich ausgegeben habe, ich könnte heulen.«
»Und die chinesische Küstenwache?«, sagte Jason, während er seine Kleider abstreifte und nach der Uniform griff. »Die wird uns hochnehmen!«
»Quatsch. Mit bestimmten Booten verhandelt man über Funk und im Code. Schließlich gibt es bei uns so etwas wie Ehre. Wie glauben Sie eigentlich, dass wir unsere Ware befördern? Wie glauben Sie, dass wir überleben? Wir treffen uns in kleinen Buchten der chinesischen Inseln von Teh Sa Wei, und dort wird der Handel abgeschlossen. Schnell! «
»Was genau ist auf dem Flughafen los? Warum sind Sie so sicher, dass er es ist?«
»Der Gouverneur. Ein Attentat.«
»Was?«, schrie Bourne entsetzt.
»Ich bin mit Ihrem Koffer vom Peninsula zur Star-Fähre gegangen. Das ist nur ein kurzes Stück, und die Fähre ist viel schneller als ein Taxi durch den Tunnel. In der Salisbury Road sah ich, wie sieben Streifenwagen im Karacho die Polizeikaserne verließen, und alle bogen nach links. Das kam mir komisch vor – zwei oder drei, ja, wenn es irgendwo eine Schlägerei gibt, aber sieben ? Ich hab also meinen Kowlooner Kontaktmann angerufen, und der war sehr kooperativ – außerdem war es ohnehin kein Geheimnis mehr. Er hat gesagt, wenn ich bliebe, wo ich war, würde ich in den nächsten zwei Stunden mindestens noch zehn Streifenwagen
und zwanzig Mannschaftswagen nach Kai-tak hinausfahren sehen. Was ich gesehen hatte, war nur die Vorhut. Sie hatten durch ihre Verbindungsleute im Untergrund gehört, dass ein Attentat auf den Krongouverneur geplant war.«
»Einzelheiten!«, befahl Bourne schroff und griff nach dem langen Khakihemd und dem patronengefüllten Halftergürtel.
»Der Gouverneur kommt heute Abend mit Leuten vom Auswärtigen Amt und einer chinesischen Verhandlungsdelegation mit dem Flugzeug aus Peking an. Der Flughafen wird von Zeitungsreportern und Fernsehteams wimmeln. Beide Regierungen legen Wert auf Publicity. Morgen soll es zu einem Treffen der Verhandlungsdelegationen und führenden Finanzleuten kommen.«
»Der Siebenundneunziger-Vertrag?«
»Eine weitere Runde in dem endlosen Palaver über die Verträge. Aber Sie sollten, um unser aller willen, beten, dass sie weiterhin freundlich miteinander reden.«
»Das Spiel «, sagte Jason leise und blieb wie erstarrt stehen.
»Was für ein Spiel?«
»Von dem Sie gesprochen haben, das Spiel mit den heiß gelaufenen Drähten zwischen Peking und Gouverneursresidenz. Den Krongouverneur töten, weil man den Vizepremier ermordet hat? Und dann vielleicht den Außenminister für ein Mitglied des Zentralkomitees – den Premierminister für den Vorsitzenden? Wo soll das enden? Wie viele gezielte Morde, ehe der Zerreißpunkt erreicht ist? Wie lange lassen sich Eltern von einem Gör auf der Nase herumtanzen – wann also marschieren die in Hongkong ein? Herrgott, es könnte dazu kommen. Jemand will , dass es dazu kommt!«
D’Anjou stand reglos da und hielt das Halfter mit dem patronengespickten Ledergurt.
»Was ich da sage, ist reine Spekulation – wahllose Gewaltakte eines wahnsinnigen Killers, der sich von jedermann anheuern lässt. Es gibt auf beiden Seiten genug Habgier und politische Korruption, die eine solche Spekulation rechtfertigen.
Sie aber wollen sagen, das Ganze sei ein ausgeklügelter Plan, um in Hongkong so viel Unruhe zu stiften, dass das Festland eingreifen muss.«
»Das Spiel«, wiederholte Jason Bourne. »Je komplizierter es wird, desto einfacher scheint es.«
Die Dächer des Flughafens Kai-tak wimmelten von Polizei, ebenso wie die Flugsteige, die Abfertigungsschalter und die Gepäckzonen. Draußen auf dem riesigen schwarzen Asphaltfeld mischten sich die Lichtbalken von Suchscheinwerfern, die jedes sich bewegende Fahrzeug und jeden Zollbreit Boden abtasteten, in das Licht der starken Flutlichter. Fernsehteams rollten unter wachsamen Blicken Kabel aus, während Reporter hinter ihren Übertragungswagen in einem Dutzend Sprachen
Weitere Kostenlose Bücher