Das Bourne Imperium
weg! Er ist verschwunden ! »Lasst mich durch!«, schrie er, jetzt wieder hörbar, aber niemand achtete darauf. Er riss und zerrte und arbeitete sich an den Rand der Menschenmenge und sah sich der nächsten Menge hinter den Glastüren des Flughafengeländes gegenüber.
Nichts! Niemand! Der Killer war verschwunden!
Killer?
Die Limousine, die Limousine an der Spitze mit den Wimpeln beider Länder. Das war das Ziel! Irgendwo in diesem Wagen oder unter dem Wagen war der Zeitzünder, der ihn in die Luft jagen und die Leiter beider Delegationen töten würde. Ergebnis – das Spiel … Chaos.
Bourne wirbelte herum und suchte verzweifelt nach irgendeiner Amtsperson. Da! Zwanzig Meter hinter der Seilabsperrung in Habt-acht-Haltung, weil gerade die britische Nationalhymne gespielt wurde, ein Offizier der Polizei von Kowloon. An seinem Gürtel ein Funkgerät. Eine
Chance ! Die Limousinen hatten inzwischen in gemessenem Tempo Fahrt aufgenommen und rollten auf ein unsichtbares Tor des Flughafengeländes zu.
Jason riss an dem Seil, zog es hoch, warf dabei einen Ständer um, und rannte auf den kleinen chinesischen Offizier zu. »Xun su!«, brüllte er.
»Shemma?«, erwiderte der Mann verblüfft und griff instinktiv nach der Pistole.
»Halten Sie sie auf! Die Wagen, die Limousinen ! Die vorderste !«
»Was ist los? Wer sind Sie?«
Bourne musste an sich halten, um nicht auf den Mann einzuschlagen. »Mossad!«, schrie er.
»Sie sind der Mann aus Israel? Ich habe gehört …«
»Hören Sie mir zu! Nehmen Sie Ihr Funkgerät und sagen Sie, die sollen sie aufhalten! Alle sollen aus dem Wagen! Er wird explodieren! Jetzt! «
Durch den Regen sah der Beamte Jason in die Augen, nickte dann und zog das Funkgerät aus dem Gürtel. »Notfall! Kanal freimachen, ich brauche eine Verbindung zu Roter Stern eins. Sofort! «
»Alle Wagen!«, unterbrach ihn Bourne. »Es eilt!«
»Achtung!«, rief der Polizeibeamte. »Alarm an alle Fahrzeuge. Stellen Sie mich durch!« Und dann sprach der Chinese mit angespannter, aber kontrollierter Stimme, sprach ganz deutlich, jedes Wort betonend. »Hier ist Colony fünf, oberste Dringlichkeitsstufe. Bei mir ist der Mann vom Mossad. Ich gebe jetzt seine Instruktionen weiter. Ihnen ist sofort Folge zu leisten. Roter Stern eins soll sofort anhalten, die Passagiere verlassen das Fahrzeug, sie sollen Deckung suchen. Alle anderen Wagen sollen nach links abbiegen, auf die Mitte des Flugfeldes zu, von Roter Stern eins weg. Sofort ausführen!«
Verblüfft starrte die Menge auf die Fahrzeugkolonne, deren Motoren aufheulten! Fünf Limousinen bogen ab und rasten auf den Rand des Flughafengeländes zu. Der erste Wagen kam mit quietschenden Reifen zum Stehen; die Türen flogen auf, und Männer sprangen heraus, rannten nach allen Richtungen davon.
Acht Sekunden später geschah es. Die Limousine mit dem Codenamen Roter Stern eins explodierte fünfzehn Meter vor einem offenen Tor. Metallstücke und Glasscherben flogen in die Luft und regneten mit dem Wolkenbruch wieder vom Himmel, während die Musikkapelle verstummte.
Peking, 23.25 Uhr
In einem nördlichen Vorort von Peking gibt es einen riesigen Komplex, von dem nur selten die Rede ist und der der Öffentlichkeit versperrt ist. Der Hauptgrund dafür ist natürlich seine Sicherheit, doch entbehrt das Ganze in einer gleichmacherischen Gesellschaft auch nicht einer gewissen Peinlichkeit. Denn innerhalb dieser bewaldeten Enklave in den Bergen stehen die Villen der mächtigsten Männer Chinas. Der Schleier des Geheimnisses liegt über diesem Komplex, den hohe graue Steinmauern umschließen und dessen Zugänge von erfahrenen Veteranen der Armee bewacht werden, während weiter draußen, in den Wäldern, Streifen mit Polizeihunden patrouillieren. Und wenn man über die hier gepflegten gesellschaftlichen oder politischen Zustände spekulieren wollte, so sollte man vielleicht feststellen, dass keine Villa von der anderen aus sichtbar ist, weil jeder einzelne Bau von einer eigenen inneren Mauer umgeben ist und alle Leibwächter persönlich ausgewählt sind, nach Jahren des Gehorsams und des Vertrauens. Wenn der Name der Anlage erwähnt wird, so spricht man vom Jadeturmberg, meint damit aber keinen Berg in geologischem Sinn, sondern einen immensen Hügel, der sich über die anderen erhebt. Männer wie Mao Zedong, Lin Shaoqi, Lin Biao und Zhou Enlai haben, jeder zu seiner Zeit und in den Höhen und Tiefen ihrer politischen Laufbahn, hier residiert. Zu den Bewohnern
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