Das Bourne Imperium
Unregelmäßigkeiten
gefunden. London hat uns bestätigt, dass seine Akte ohne Makel ist und dass die Information, die er uns gebracht hat, stimmt. Die Polizei in Hongkong hat ihn als Mitglied des Stabs von MI-6 wegen der Brisanz dieser Ereignisse gerufen. Das Auswärtige Amt hat sich hinter ihn gestellt.«
»Falsch!«, schrie Webb und schüttelte den Kopf. Dann senkte er die Stimme. »Man hat ihn umgedreht, Mr. McAllister! Jemand hat ihm ein kleines Vermögen dafür angeboten, sich diese Akte zu beschaffen. Er hat die einzige Lüge eingesetzt, die Aussicht auf Erfolg hatte, und Sie alle haben sie geschluckt!«
»Ich fürchte, es ist keine Lüge – wenigstens nicht, soweit er das wusste. Er hat dem Beweismaterial Glauben geschenkt, und London tut das auch. Es gibt in Asien wieder einen Jason Bourne.«
»Und wenn ich Ihnen jetzt sagte, dass das keineswegs das erste Mal wäre, dass man der Zentrale eine Lüge aufgetischt hat, damit ein überarbeiteter, unterbezahlter, mit zu hohem Risiko belasteter Mann umgedreht werden kann. All die Jahre, all die Gefahren, und nichts, was er dafür vorweisen kann. Er entscheidet sich für die eine Chance, die sich ihm bietet, für den Rest seines Lebens ausgesorgt zu haben. In seinem Fall ist das diese Akte !«
»Wenn das der Fall ist, wird ihm das nicht viel nützen. Er ist tot.«
»Er ist was …?«
»Man hat ihn vor zwei Tagen in Kowloon erschossen, in seinem Büro, eine Stunde nachdem sein Flugzeug in Hongkong eingetroffen war.«
»Verdammt noch mal, so etwas gibt es nicht!«, schrie David verwirrt. »Ein Mann, der zur Gegenseite übergeht, sichert sich ab. Er baut, bevor er handelt, Beweise gegen seinen Wohltäter auf und lässt ihn wissen, dass sein Material in die richtigen Hände gelangen wird, falls irgendetwas Hässliches passiert. Das ist seine Lebensversicherung, die einzige Lebensversicherung, die ihm nützt.«
»Er war sauber«, beharrte der Mann aus dem Außenministerium.
»Oder dumm«, wandte Webb ein.
»Niemand glaubt das.«
»Was glauben die dann ?«
»Dass er irgendwelchen außergewöhnlichen Entwicklungen auf der Spur war, hinter etwas her, das zu Gewaltausbrüchen in der Unterwelt von Hongkong und Macao führen konnte. Das organisierte Verbrechen dort ist plötzlich unberechenbar geworden, so ähnlich wie in den Tong-Kriegen in den Zwanziger- und Dreißigerjahren. Immer mehr Morde. Rivalisierende Banden, die gegeneinander Krieg führen; Hafenbezirke, die zu Schlachtfeldern werden; Lagerhäuser, ja ganze Frachtschiffe, die aus Rache in die Luft gejagt werden, oder um Konkurrenten auszuschalten. Manchmal braucht es dazu bloß ein paar mächtige rivalisierende Gruppen – und einen Jason Bourne im Hintergrund.«
»Aber da es keinen Jason Bourne gibt, ist das Arbeit für die Polizei ! Nicht für MI-6.«
»Mr. McAllister hat gerade gesagt, dass ihn die Polizei von Hongkong gerufen hat«, unterbrach Marie und musterte den Staatssekretär scharf. »MI-6 war offensichtlich bereit, sich der Sache anzunehmen. Warum?«
»Das sind die falschen Leute!« David blieb hartnäckig, und sein Atem ging in kurzen Stößen.
»Jason Bourne war kein Produkt der Polizeibehörden«, sagte Marie und trat neben ihren Mann. »Er war ein Produkt des amerikanischen Geheimdienstes, der sich dazu des Außenministeriums bedient hat. Aber ich nehme an, dass MI-6 sich aus einem wesentlich wichtigeren Grund eingeschaltet hat als nur, um einen Killer zu finden, der sich als Jason Bourne ausgibt. Habe ich Recht, Mr. McAllister?«
»Sie haben Recht, Mrs. Webb. Wesentlich wichtiger. In unseren Gesprächen in den letzten zwei Tagen waren einige Angehörige unserer Abteilung der Ansicht, dass Sie das sehr viel klarer begreifen würden als wir. Wir wollen es einmal ein wirtschaftliches Problem nennen, das zu ernsten politischen Unruhen führen könnte, nicht nur in Hongkong, sondern in der ganzen Welt. Sie waren als volkswirtschaftliche Beraterin der kanadischen Regierung tätig. Sie
haben die Botschafter Kanadas und auch kanadische Wirtschaftsdelegationen in der ganzen Welt beraten.«
»Würde es euch beiden etwas ausmachen, das so zu erklären, dass es auch der kapiert, der hier das Geld verdient?«
»Jetzt ist nicht der Zeitpunkt, um Störungen auf dem Markt von Hongkong zuzulassen, Mr. Webb, selbst – und vielleicht ganz besonders – seinem illegalen Markt. Störungen, die im Verein mit Gewalttätigkeit auftreten, vermitteln den Eindruck einer instabilen Regierung, wenn
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