Das Bourne Ultimatum
einen ungeschriebenen Kodex zwischen Ärzten, ich weiß es nicht. Aber ich weiß, dass Walsh ihn an ein EKG anschloss, was er nicht aus den Augen ließ. Ich auch nicht. Das war leichter, als Mo anzuschauen. Lass uns hier weggehen!«
»Einen Moment noch. Was ist mit Panov?«
»Er ist noch nicht so weit, um eine Party zur Feier seiner Rückkehr zu veranstalten. Er wird für ein paar Tage unter Beobachtung bleiben. Walsh wird mich morgen früh anrufen.«
»Ich würde ihn gerne sehen. Ich will ihn sehen.«
»Es gibt nichts zu sehen. Glaube mir, du würdest es nicht wollen und er auch nicht. Lass uns gehen.«
»Wohin?«
»Zu dir nach Vienna - zu uns nach Vienna. Ich nehme an, du hast ein Kassettendeck.«
»Ich habe alles außer einer Mondrakete. Das meiste kann ich nicht bedienen.«
»Ich möchte eine Pause und eine Flasche Whisky.«
»Es gibt alles, was du willst, im Appartement.«
»Stört es dich nicht?«, fragte Holland und sah Alex an.
»Würde es was machen, wenn es das täte?«
»Nicht im Geringsten... Wenn ich mich recht erinnere, gibt es da auch noch ein extra Schlafzimmer.«
»Ja.«
»Gut. Wahrscheinlich sind wir die halbe Nacht auf, um uns
das anzuhören.« Der Direktor hielt die Kassetten hoch. »Die ersten Male bringen nichts. Weil wir da nur seine Schmerzen mitbekommen, nicht die Informationen.«
Es war kurz nach fünf Uhr nachmittags, als sie das Gelände verließen. Die Tage wurden kürzer, der September stand vor der Tür, und die untergehende Sonne kündete die bevorstehende Veränderung mit einer Farbintensität an, die nur den Tod der einen Jahreszeit und die Geburt der nächsten bedeuten konnte. »Das Licht ist immer am hellsten, wenn wir sterben müssen«, sagte Conklin und lehnte sich im Wagen neben Holland zurück, wobei er zum Fenster hinausblickte.
»Ich finde das äußerst unpassend«, erklärte Peter ärgerlich. »Wer hat das gesagt?«
»Jesus, glaube ich.«
»Die Schrift wurde niemals ordentlich herausgegeben. Zu viele Lagerfeuer und zu wenig Bestätigung durch Augenzeugen.«
Alex lachte leise und nachdenklich. »Hast du sie jemals gelesen? Die Schrift, meine ich.«
»Das meiste, ja.«
»Weil du musstest?«
»Zum Teufel, nein. Mein Vater und meine Mutter waren so agnostisch, wie es zwei Leute nur sein konnten. Sie schickten mich und meine beiden Schwestern in der einen Woche in einen protestantischen Gottesdienst, in der nächsten in einen katholischen und dann in eine Synagoge. Nicht so regelmäßig. Ich glaube, sie wollten, dass wir alles kennen lernten. Das bringt Kinder zum Lesen. Natürliche Neugier, in Mystizismus gehüllt.«
»Unwiderstehlich«, pflichtete Conklin bei. »Ich habe meinen Glauben verloren, und jetzt, nach all den Jahren, durch die ich meine geistige Unabhängigkeit behauptet habe, frage ich mich, ob mir nicht was fehlt.«
»Was denn?«
»Trost, Peter. Ich habe keinen Trost.«
»Wozu?«
»Ich weiß nicht. Dinge, die ich nicht kontrollieren kann, vielleicht.«
»Du meinst, dir fehlt der Trost einer metaphysischen Entschuldigung. Tut mir Leid, Alex, aber da kann ich dir nicht folgen. Wir sind verantwortlich für das, was wir tun. Und daran kann keine Absolution etwas ändern.«
Conklin wandte sich Holland zu und sah ihn mit weit geöffneten Augen an.
»Danke«, sagte er.
»Wofür?«
»Dass du genauso sprichst wie ich, vielleicht mit etwas anderen Worten... Ich kam vor fünf Jahren aus Hongkong zurück, mit dem Banner der Verantwortlichkeit an meiner Lanze.«
»Da komme ich nicht mit.«
»Vergiss es. Es geht schon wieder... Hüte dich vor den Fallgruben ekklesiastischer Mutmaßungen und selbstverzehrender Gedanken.«
»Wer hat das wieder gesagt?«
»Entweder Savonarola oder Salvador Dali, ich weiß nicht mehr, wer.«
»Lass uns damit aufhören«, lachte Peter.
»Warum denn? Wir können wenigstens wieder lachen. Und was ist mit deinen beiden Schwestern? Was ist aus denen geworden?«
»Das ist ein noch besserer Witz«, antwortete Peter. Er legte das Kinn auf die Brust, und seine Lippen umspielte ein boshaftes Lächeln. »Eine ist Nonne in Neu-Delhi und die andere Präsidentin ihrer eigenen Werbefirma in New York, und sie kann besser jiddisch als ihre meisten Kollegen in der Branche. Vor ein paar Jahren erzählte sie mir, dass sie aufgehört haben, sie ein Schickse zu nennen. Sie liebt ihr Leben, genau wie meine Schwester in Indien.«
»Trotzdem bist du zum Militär.«
»Nicht trotzdem, Alex... Und ich habe es ganz bewusst getan. Ich war
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