Das Bourne-Vermächtnis
Minuten später verließ Bourne das Einkaufszentrum, nahm ein Taxi, das eben einen Fahrgast absetzte, und stieg nach kurzer Fahrt auf der Margareteninsel vor dem imposanten Säulenportal des Grandhotels Danubius aus. Ein livrierter Türsteher geleitete ihn hinein.
Bourne war in einem Zustand, als hätte er seit einer Woche nicht mehr geschlafen. Er durchquerte die in poliertem Marmor gehaltene Hotelhalle. Am Empfang stellte er sich als Alexander Conklin vor.
»Ah, Mr. Conklin, wir haben Sie erwartet. Einen Augenblick, wenn ich bitten darf.«
Der Angestellte verschwand im Büro hinter der Rezeption. Als er wenig später zurückkam, brachte er den Hoteldirektor mit.
»Willkommen, willkommen! Mein Name ist Hazas, ich stehe zu Ihrer Verfügung.« Dieser Gentleman war klein, untersetzt und schwarzhaarig; er hatte ein Menjoubärtchen und einen wie mit dem Lineal gezogenen Scheitel. Er streckte Bourne eine Hand hin, die warm und trocken war. »Mr. Conklin, es ist mir ein Vergnügen.« Er machte eine Handbewegung. »Folgen Sie mir bitte!«
Er führte Bourne in sein Büro, in dem er einen Wandsafe öffnete und ein Päckchen etwa von der Größe eines Schuhkartons herausnahm, dessen Empfang er sich von Bourne quittieren ließ. Auf dem Packpapier stand: MR.
ALEXANDER CONKLIN. WIRD ABGEHOLT. Das
Päckchen war nicht frankiert.
»Es ist hier abgegeben worden«, sagte Hazas auf Bournes Frage.
»Von wem?«, fragte Bourne.
Der Hoteldirektor breitete die Hände aus. »Tut mir Leid, das weiß ich nicht.«
Bourne empfand jähen Zorn. »Was soll das heißen?
Sie wissen es nicht! Das Hotel führt doch bestimmt Buch über von Boten zugestellte Sendungen?«
»Oh, gewiss, Mr. Conklin. Wie auf allen Gebieten nehmen wir es damit sehr genau. Aber in diesem speziellen Fall – und ich weiß nicht, weshalb – scheint es keinerlei Aufzeichnungen zu geben.« Hazas lächelte hoffnungsvoll, während er hilflos mit den Schultern zuckte.
Nach dreitägigem Überlebenskampf, in dem er einen Schock nach dem anderen hatte überwinden müssen, war Bourne mit seiner Geduld am Ende. Zorn und Frustration ließen blinde Wut aufflammen. Er schloss die Tür mit einem Fußtritt, packte Hazas an seinem steif gestärkten Hemd und knallte ihn mit solcher Gewalt an die Wand, dass die Augen des Hoteldirektors aus den Höhlen zu quellen drohten.
»Mr. … Mr. Conklin«, stammelte er, »ich habe wirklich keine …«
»Ich will eine Antwort!«, knurrte Bourne. »Und ich will sie sofort!«
Der sichtlich verängstigte kleine Mann war den Tränen nahe. »Aber ich weiß keine.« Seine dicken Finger machter eine flatternde Bewegung. »Da … da liegt die Kladde! Seher Sie selbst nach!«
Er ließ Hazas los, dessen Knie sofort nachgaben, sodass er die Wand entlang zu Boden rutschte. Bourne ignorierte ihn trat an seinen Schreibtisch und zog die Kladde zu sich heran Er sah Eintragungen in zwei verschiedenen Handschriften – eine krakelig, die andere pedantisch exakt –, vermutlich die Schriften des Tag- und Nachtportiers. Dass er die Eintragungen lesen konnte, weil er aus einem früheren Leben Ungarisch konnte, überraschte ihn nur wenig. Indem er die Kladde leicht schief ins Licht hielt, suchte er nach radierten Flächen oder anderen Manipulationen. Aber er entdeckte nichts.
Er fuhr herum, packte Hazas, zog ihn vom Fußboden hoch. »Wie erklären Sie sich, dass dieses Päckchen nicht eingetragen wurde?«
»Mr. Conklin, ich war selbst da, als es abgegeben wurde.« Der Hoteldirektor war so erschrocken, dass das Weiße seiner Augen um die Pupillen herum sichtbar war.
Er war auffällig blass geworden, und auf seiner Stirn standen Schweißperlen. »Ich hatte Dienst, meine ich. Ich schwöre Ihnen, dass das Päckchen von einem Augenblick zum anderen auf der Empfangstheke gelegen hat. Es ist einfach aufgetaucht. Weder ich noch meine Angestellten haben den Überbringer gesehen. Es war gegen zehn Uhr, wenn die meisten Gäste abreisen und wir immer viel zu tun haben. Das Päckchen muss absichtlich anonym abgegeben worden sein – das ist die einzig logische Erklärung.«
Damit hatte er natürlich Recht. Bournes wilder Zorn verflog so rasch, wie er aufgeflammt war, und er fragte sich, warum er diesen harmlosen kleinen Mann so terrorisiert hatte. Er ließ den Hoteldirektor los.
»Bitte entschuldigen Sie, Herr Hazas. Ich habe einen langen Tag mit schwierigen Verhandlungen hinter mir.«
»Ja, Sir.« Hazas tat sein Bestes, um Jackett und Krawatte ohne Spiegel
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