Das Bourne-Vermächtnis
an.
An seiner Hausbar aus makellosem Edelstahl ließ er sich vom Kaffeeautomaten einen Becher frischen Kaffees zubereiten. Er fügte Sahne, Zucker und einen Klacks Schlagobers aus dem Einbaukühlschrank unter der Theke hinzu. Danach stand er einige Augenblicke lang nur da, trank den Kaffee mit kleinen Schlucken, ließ seinen Verstand angenehm unkonzentriert, genoss die wachsende freudige Erwartung. Heute gab es so viele wundervolle Dinge, auf die man sich freuen konnte!
Er stellte den Kaffeebecher ab und band sich eine Fleischerschürze um. Auf seine auf Hochglanz polierten Slipper verzichtete er zugunsten grüner Gummistiefel.
Noch ein Schluck von dem köstlichen Kaffee, dann
ging er durch den Raum zu einer holzvertäfelten Wand.
Davor stand ein kleiner Tisch mit einer Schublade, die er aufzog. Sie enthielt eine Box mit Latexhandschuhen. Vor sich hinsummend entnahm er zwei Handschuhe, streifte sie über. Dann drückte er auf einen Geheimknopf, der zwei der Wandpaneele zur Seite gleiten ließ, und trat über die Schwelle in einen entschieden seltsamen Raum. Die Wände bestanden aus schwarz gestrichenem Beton; der weiß geflieste Fußboden senkte sich zur Mitte hin, wo ein riesiger Abfluss montiert war. An einer Wand hing eine Metalltrommel mit einem aufgerollten Wasserschlauch. Die Decke des Raums war dick mit schallschluckendem Material verkleidet. Die einzigen Einrichtungsgegenstände waren ein Holztisch – zerkratzt, an vielen Stellen fleckig von altem Blut – und ein Zahnarztstuhl mit bestimmten, von Spalko exakt vorgegebenen Veränderungen. Neben dem Stuhl stand ein verchromtes Wägelchen mit drei Ablagen, auf denen eine Ansammlung blitzender Metallinstrumente mit bedrohlich wirkenden spitzen Enden lag: gerade, gekrümmt und spiralig.
In dem Stuhl lag László Molnar: splitternackt, die Hand- und Fußgelenke mit Stahlbändern gefesselt. Gesicht und Körper Molnars waren mit Schnittwunden, Prellungen und Blutergüssen übersät; seine Augen lagen, von dunklen Ringen aus Schmerz und Verzweiflung umgeben, tief in ihren Höhlen.
Spalko betrat den Raum so energisch und professionell wie ein geschäftstüchtiger Arzt. »Mein lieber László, ich muss schon sagen, Sie sehen ziemlich mitgenommen
aus.« Er kam so dicht heran, dass er sehen konnte, wie Molnars Nasenlöcher sich weiteten, als er den Kaffee roch. »Aber das war zu erwarten, nicht wahr? Sie haben eine ziemlich schlimme Nacht hinter sich. Nichts, was Sie erwartet hätten, als Sie in die Oper gefahren sind, stimmt’s? Aber keine Sorge, die Sache bleibt spannend.«
Er stellte den Kaffeebecher neben Molnars Ellbogen ab, griff nach einem der Instrumente. »Wir machen mit diesem hier weiter, denke ich, ja.«
»Was … was haben Sie vor?«, krächzte Molnar. Seine Stimme war nur ein heiseres Flüstern.
»Wo ist Dr. Schiffer?«, fragte Spalko im Plauderton.
Molnars Kopf ruckte von einer Seite zur anderen; er biss krampfhaft die Zähne zusammen, als wolle er sicherstellen, dass kein Wort über seine Lippen kam.
Spalko testete die scharfe Spitze des Instruments. »Ich verstehe wirklich nicht, weshalb Sie zögern, László. Ich habe die Waffe, und obwohl Dr. Schiffer verschwunden ist …«
»Vor Ihrer Nase entführt«, flüsterte Molnar.
Spalko machte sich lächelnd mit dem Instrument über seinen Gefangenen her und erreichte binnen kurzem, dass Molnar laut schrie.
Dann trat er einen Augenblick zurück, hob den Kaffeebecher an die Lippen und trank einen Schluck. »Wie Sie inzwischen bestimmt wissen, ist dieser Raum absolut schalldicht. Niemand kann Sie hören – niemand wird Sie retten, am allerwenigsten Vadas. Er weiß nicht einmal, dass Sie verschwunden sind.«
Er nahm ein anderes Instrument zur Hand, bohrte es in den Körper seines Opfers. »Wie Sie sehen, ist Ihre Lage hoffnungslos«, sagte er dabei. »Es sei denn, Sie erzählen mir, was ich wissen will. Wie’s der Zufall will, László, bin ich jetzt Ihr einziger Freund, jaja, ich bin der Einzige, der Sie retten kann.« Er packte Molnar unter dem Kinn und küsste seine blutige Stirn. »Ich bin der Einzige, der Sie wahrhaft liebt.«
Molnar schloss kurz die Augen und schüttelte erneut den Kopf.
Spalko starrte ihm aus nächster Nähe in die Augen.
»Ich will Ihnen nicht wehtun, László. Das wissen Sie doch, nicht wahr?« Im Gegensatz zu seinen Händen war seine Stimme sanft. »Aber Ihre Sturheit macht mir Sorgen.« Er bearbeitete Molnar weiter. »Ich frage mich, ob Sie die wahre Natur der
Weitere Kostenlose Bücher