Das Bourne-Vermächtnis
zurechtzurücken, und behielt Bourne dabei im Auge, als befürchte er jeden Augenblick einen weiteren Angriff. »Natürlich, Sir. Das Geschäftsleben ist für uns alle ein großer Stress.« Er hüstelte, gewann seine Fassung einigermaßen wieder. »Darf ich Ihnen unser Wellness-Bad empfehlen? Nichts stellt das innere Gleichgewicht schneller wieder her als ein Dampfbad und eine Massage.«
»Sehr freundlich von Ihnen«, sagte Bourne. »Vielleicht später.«
»Das Bad schließt um einundzwanzig Uhr«, sagte Hazas, der sichtlich erleichtert war, weil er von diesem Verrückten eine vernünftige Antwort bekommen hatte. »Aber ich brauche nur anzurufen, damit es für Sie länger offen hält.«
»Ein andermal, vielen Dank. Bitte lassen Sie mir
Zahnpasta und eine Zahnbürste hinaufschicken. Ich habe meinen Kulturbeutel vergessen«, sagte Bourne beim Hinausgehen.
Sobald Hazas wieder allein war, zog er eine Schublade seines Schreibtischs auf und holte mit grässlich zitternder Hand eine Flasche Schnaps heraus. Als er sich ein Glas einschenkte, verschütterte er etwas Schnaps auf seine Kladde. Aber das kümmerte ihn nicht; er kippte den Schnaps und spürte das wohlige Brennen bis in den Magen hinunter. Nachdem er sich einigermaßen beruhigt hatte, griff er nach dem Telefonhörer und tippte eine Budapester Nummer ein.
»Er ist vor zehn Minuten angekommen«, berichtete er der Stimme am anderen Ende. Er brauchte seinen Namen nicht zu nennen. »Mein Eindruck? Ein Verrückter!
Ich kann Ihnen sagen, wie ich das meine. Er hat mich fast erwürgt, weil ich ihm nicht sagen wollte, wer das Päckchen abgeliefert hat.«
Der Telefonhörer wäre ihm beinahe aus den schweißnassen Fingern gerutscht, und er wechselte die Hand. Er schenkte sich noch einen Schnaps ein.
»Natürlich habe ich’s ihm nicht gesagt, und die Zustellung ist nirgends verzeichnet. Dafür habe ich selbst gesorgt. Er hat alles sehr sorgfältig kontrolliert, das muss man ihm lassen.« Hazas hörte einen Augenblick zu. »Er ist in seine Suite hinaufgefahren. Ja, das weiß ich bestimmt.«
Er legte den Hörer auf, dann wählte er ebenso rasch eine weitere Nummer und übermittelte dieselbe Nachricht – diesmal einem anderen, weit schrecklicheren Herrn und Gebieter. Danach sank er in seinen Sessel zurück und schloss die Augen. Gott sei Dank, dass mein Part in dieser Sache damit beendet ist , dachte er.
Bourne fuhr mit dem Aufzug in die oberste Etage hinauf.
Mit seiner Magnetkarte ließ sich eine der zweiflügligen Türen aus poliertem Teakholz öffnen, und er betrat eine luxuriös eingerichtete Suite. Vor den Fenstern lag die hundert Jahre alte Parklandschaft als kompakte, dunkle und dicht belaubte Masse. Die Insel war nach Margarete, der Tochter König Bélas IV, benannt, die im 13. Jahrhundert hier in einem Dominikanerinnenkloster gelebt hatte, dessen Ruine hell angestrahlt am Ostufer stand.
Bourne zog sich bereits aus, als er die Suite durchquerte, und hinterließ auf seinem Weg in das blitzende Luxusbad eine Spur aus Kleidungsstücken. Das Päckchen warf er ungeöffnet aufs Bett.
Er verbrachte zehn beglückende Minuten unter der
Dusche, die er so heiß einstellte, wie er es aushalten konnte; dann seifte er sich ein und schrubbte den angesammelten Schmutz und Schweiß von seinem Körper.
Dabei tastete er vorsichtig seine Rippen, seine Brustmuskeln ab, um abschätzen zu können, welche Schäden Chans Angriffe angerichtet hatten. Seine rechte Schulter war sehr druckempfindlich, und er verbrachte weitere zehn Minuten damit, sie behutsam zu dehnen und sanft zu bewegen. Er hatte sie sich fast ausgerenkt, als er die Eisenleiter des Tanklasters gepackt hatte, und sie tat verdammt weh. Vermutlich hatte er eine Bänderzerrung und einen Muskelfaserriss, aber dagegen konnte er im Augenblick nicht mehr tun, als die Schulter möglichst zu schonen.
Nach drei Minuten unter eiskaltem Wasser trat er aus der Dusche und frottierte sich ab. In einem flauschigen Bademantel setzte er sich auf die Bettkante und riss das Päckchen auf. Es enthielt eine Pistole mit zwei vollen Reservemagazinen. Alex , fragte er sich nicht zum ersten Mal, in was warst du um Himmels willen verwickelt?
Er blieb lange sitzen und starrte die Waffe an. Sie wirkte ominös böse, als krieche Finsternis aus ihrem Lauf. Aber dann erkannte Bourne, dass die Finsternis aus den Tiefen seines eigenen Unterbewusstseins heraufstieg.
Plötzlich wurde ihm klar, dass seine Realität nicht so aussah, wie er sie sich
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