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Das Bourne-Vermächtnis

Das Bourne-Vermächtnis

Titel: Das Bourne-Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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damals geglaubt! – das Maximum an Rache bringen würde, auf das er ein Anrecht hatte. Er hätte Bourne im Laderaum des nach Paris startenden Frachtflugzeugs erledigen sollen. Das war natürlich seine Absicht gewesen
    – genau wie vorhin.
    Er hätte sich leicht einreden können, er sei durch Annaka Vadas bei der Ausführung seines Plans gestört worden, aber die erschreckende, unbegreifliche Wahrheit war, dass er seine Chance gehabt hatte, bevor sie auf der Bildfläche erschienen war, und sich dazu entschlossen hatte, sich nicht an Bourne zu rächen.
    Weshalb? Das konnte er sich trotz aller Mühe unmöglich erklären.
    Sein Verstand, der sonst so unerschütterlich ruhig war, sprang von Erinnerung zu Erinnerung, als finde er die Gegenwart unerträglich. Er erinnerte sich an den Raum, in dem er in den Jahren bei dem vietnamesischen Waffenschmuggler eingesperrt gewesen war, an seinen kurzen Augenblick der Freiheit, bevor der Missionar Richard Wick ihn gerettet hatte. Er erinnerte sich an Wicks Haus, sein Gefühl von Ungebundenheit und Freiheit, das allmählich erodiert war, und an den schleichenden Horror seiner Zeit bei den Roten Khmer.
    Der schlimmste Teil – der Teil, den er zu vergessen versuchte – war jedoch, dass er sich ursprünglich zur Philosophie der Roten Khmer hingezogen gefühlt hatte.
    Weil die Bewegung von jungen Kambodschanern gegründet worden war, die ihre Ausbildung in Paris genossen hatten, wollte es eine Ironie des Schicksals, dass ihr Ethos auf dem französischen Nihilismus basierte. »Die Vergangenheit bedeutet Tod! Zerstört alles, um eine neue Zukunft zu erschaffen!« Das war das Mantra der Roten Khmer, das gebetsmühlenartig wiederholt wurde, bis diese Wahnvorstellung schließlich alle anderen Gedanken oder Ansichten zermalmt hatte.
    Dass ihre Weltsicht anfangs auf Chan – selbst ein unfreiwilliger Flüchtling, verlassen, an den Rand gedrängt –, der nicht aus freien Stücken, sondern durch widrige Umstände zu einem Verlorenen geworden war, anziehend wirken würde, war kaum überraschend. Für Chan war die Vergangenheit gleichbedeutend mit Tod – das bezeugte sein wiederkehrender Albtraum. Aber wenn er erstmals bei den Roten Khmer lernte, wie man zerstörte, dann lag das daran, dass sie zuerst ihn zerstört hatten.
    Da sie sich nicht damit zufrieden gegeben hatten, die Geschichte seiner Aussetzung zu glauben, hatten sie ihn langsam seines Lebens und seiner Energie beraubt, indem sie ihn jeden Tag hatten bluten lassen. Sie wollten, so hatte sein Folterer gesagt, alle Erinnerungen aus seinem Verstand tilgen; sie brauchten eine völlig leere Tafel, auf die sie ihre radikale Sicht der Zukunft, die ihnen allen bevorstand, schreiben konnten. Sie ließen ihn zu seinem eigenen Besten zur Ader, behauptete sein lächelnder Folterer, um ihn von den Giftstoffen der Vergangenheit zu reinigen. Jeden Tag las er Chan aus ihrem Manifest vor und zählte danach die Namen der Gegner ihres Rebellenregimes auf, die hingerichtet worden waren. Die meisten kannte Chan natürlich nicht, aber einige – vor allem Mönche sowie ein paar Jungen in seinem Alter – hatte er flüchtig gekannt. Manche dieser Jungen hatten ihn gehänselt und ihm den Mantel des Ausgestoßenen um seine jugendlichen Schultern gehängt. Nach einiger Zeit wurde ein zusätzlicher Punkt auf die Tagesordnung gesetzt: Hatte der Folterer einen bestimmten Abschnitt des Manifests vorgelesen, musste Chan ihn auswendig hersagen. Das tat er mit immer überzeugenderer Stimmgewalt.
    Eines Tages las sein Folterer ihm nach der obligaten Rezitation und Chans Wiederholung die Namen derer vor, die kürzlich zur Beförderung der Revolution liquidiert worden waren. Am Schluss der Liste stand Richard Wick, der Missionar, der Chan bei sich aufgenommen hatte, um den Jungen zur Zivilisation und zu Gott zu führen. Welchen Gefühlsaufruhr diese Nachricht bei Chan bewirkte, ließ sich unmöglich schildern, aber die beherrschende Empfindung war ein Gefühl der Verlassenheit. Damit war seine letzte Verbindung zur Außenwelt abgerissen. Nun war er endgültig und völlig allein.
    In der relativen Abgeschiedenheit der Latrine weinte er, ohne recht zu wissen, warum. Wenn er jemals einen Menschen gehasst hatte, dann war es dieser Mann gewesen, der ihn benützt und emotional im Stich gelassen hatte, und nun beweinte er unerklärlicherweise dessen Tod.
    Später an diesem Tag führte sein Folterer ihn aus dem Betonbunker, in dem er seit seiner Gefangennahme festgehalten

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