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Das Bourne-Vermächtnis

Das Bourne-Vermächtnis

Titel: Das Bourne-Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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augenblicklichen Tod, den seine Landsleute erlitten, bewahrt blieb, war das Entsetzen, das in seinem Inneren lauerte, das ihm vergangene Woche Nacht für Nacht Albträume beschert hatte. Er hatte sich eingeredet, darin manifestierten sich seine Schuldgefühle, weil er Chalid Murat verraten hatte – das schlechte Gewissen eines Helden, nachdem er die schwierige Entscheidung getroffen hatte, die sein Volk retten sollte. Aber in Wirklichkeit hing dieses Entsetzen mit Sina zusammen. Er hatte sich ihr allmähliches, aber unaufhaltsames Abrücken von ihm, ihre emotionale Distanzierung, die nachträglich gesehen eiskalt wirkte, nicht eingestehen wollen.
    Sie war ihm schon seit einiger Zeit entglitten, obwohl er das bis vor kurzem nicht hatte wahr haben wollen. Aber jetzt hatte Achmeds Enthüllung alles ins helle Licht bewusster Erkenntnis gerückt. Sina hatte hinter einer Glaswand gelebt, stets einen Teil ihres Ichs isoliert und versteckt gehalten. Diesen Teil von ihr hatte er nicht berühren können, und er hatte jetzt das Gefühl, je eifriger er’s versucht hatte, desto weiter hatte sie sich zurückgezogen.
    Sina liebte ihn nicht – und er fragte sich jetzt, ob sie’s je getan hatte. Selbst wenn ihr Unternehmen ein voller Erfolg wurde, würde es für ihn kein Leben mit ihr, keine gemeinsamen Kinder geben. Was für eine Farce ihr letztes intimes Gespräch gewesen war!
    Plötzlich überwältigte ihn Schamgefühl. Er war ein Feigling – er liebte Sina mehr, als er seine Freiheit liebte, denn er wusste, dass es ohne sie keine Freiheit für ihn geben würde. Nach ihrem Verrat an ihm würde selbst der größte Sieg schal schmecken.
    Als er jetzt den kalten Korridor zur Fernwärmezentrale entlang trabte, sah er seine eigenen Kämpferinnen die Maschinenpistolen hochreißen, als ob sie auf ihn schie
    ßen wollten. Vielleicht war ihre Sicht durch den ABC-Schutzanzug so eingeschränkt, dass sie nicht erkannten, wer da auf sie zukam.
    »Wartet! Nicht schießen!«, rief er. »Ich bin’s, Hassan Arsenow!«
    Ein Geschoss des ersten Feuerstoßes durchschlug seinen linken Arm, und er warf sich halb unter Schock stehend herum, verschwand um eine Ecke, brachte sich vor dem tödlichen Kugelhagel in Sicherheit.
    In der abrupt ausgebrochenen Hektik blieb keine Zeit für Fragen oder Spekulationen. Er hörte weitere Feuerstöße, die jedoch nicht ihm galten. Als er um die Ecke spähte, sah er die beiden Wächterinnen tief geduckt auf zwei Gestalten schießen, die den Korridor entlangkamen.
    Arsenow richtete sich auf, nutzte die Tatsache, dass die beiden abgelenkt waren, und hielt auf den Eingang der Fernwärmezentrale zu.
    Spalko hörte die Schüsse und sagte: »Sina, das ist nicht nur Arsenow.«
    Sina drehte sich mit ihrer Maschinenpistole im Anschlag um und nickte dem Posten an der Tür zu, der ihr eine zweite MP zuwarf.
    Hinter ihnen trat Spalko an die Wand mit den genau gekennzeichneten Heizungsrohren. Jedes hatte ein Absperrventil und daneben ein Manometer, das den Druck anzeigte. Er fand die Leitung, die in den Flügel des Hotels führte, in dem die Staatsoberhäupter untergebracht waren, und machte sich daran, das Ventil abzuschrauben.
    Hassan Arsenow wusste, dass er mit den anderen in der Unterstation der Klimaanlage hätte sterben sollen. »Eine Falle! Jemand hat die Leitungen vertauscht!« , hatte Karim unmittelbar vor seinem Tod gejammert. Vertauscht hatte sie Spalko; er hatte Arsenow und die anderen nicht für ein Ablenkungsmanöver gebraucht, wie er behauptet hatte, sondern sie bewusst geopfert – als wichtige Zielpersonen, deren Tod das Sicherheitspersonal ablenken würde, bis Spalko den wahren Bestimmungsort erreichen und das Virus freisetzen konnte. Er hatte sie reingelegt, und Arsenow war sich jetzt ziemlich sicher, dass Sina gemeinsame Sache mit ihm gemacht hatte.
    Wie schnell Liebe in Hass umschlagen konnte! Ihre Umwandlung hatte nicht länger als einen Herzschlag gedauert. Jetzt waren alle gegen ihn aufgehetzt, alle seine Landsleute, alle die Männer und Frauen, mit denen er gekämpft, mit denen er gelacht und geweint und gebetet, mit denen er nach gemeinsamen Zielen gestrebt hatte.
    Tschetschenen! Sie alle waren nun durch Stepan Spalkos Macht und vergifteten Charme verdorben.
    Letztlich hatte Chalid Murat in jeder Beziehung Recht gehabt. Er hatte Spalko nicht getraut; er hätte sich nicht auf dieses wahnwitzige Unternehmen eingelassen. Arsenow hatte ihm einmal vorgeworfen, er sei ein alter Mann, übervorsichtig und

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