Das Bourne-Vermächtnis
Computer, aber als Spalko hereinkam, stand er sofort auf. Er wirkte so frisch und munter, wie er vermutlich heute Morgen ins Büro gekommen war.
»Kein Grund, so förmlich zu sein, Ethan«, sagte Spalko entspannt lächelnd. »Wir sind hier nicht bei der Army, wissen Sie.«
»Ja, Sir. Danke.« Hearn streckte seinen Rücken. »Ich bin seit sieben Uhr dran.«
»Wie kommen Sie mit dem Spendensammeln voran?«
»Nächste Woche finden zwei Wohltätigkeitsdinners
und ein Mittagessen mit potenziellen Sponsoren statt.
Und ich habe Ihnen den Entwurf eines neuen Werbebriefs gemailt.«
»Gut, gut.« Spalko sah sich um, als wolle er sich davon überzeugen, dass niemand sie hören konnte. »Sagen Sie, haben Sie einen Smoking?«
»Natürlich, Sir. Der gehört sozusagen zu meiner Berufskleidung.«
»Ausgezeichnet. Sie fahren jetzt nach Hause und ziehen ihn an.«
»Sir?« Der junge Mann zog überrascht die Augenbrauen hoch.
»Sie gehen in die Oper.«
»Heute Abend? So kurzfristig? Wie haben Sie’s geschafft, Karten zu bekommen?«
Spalko lachte. »Also, Sie gefallen mir, Ethan. Ich möchte wetten, dass Sie der letzte ehrliche Mensch der Welt sind.«
»Sir, für mich steht fest, dass Sie das sind.«
Spalko lachte erneut, diesmal über den leicht verwirrten Gesichtsausdruck des jungen Mannes. »Das war ein Scherz, Ethan. Los jetzt! Sie müssen sich ein bisschen beeilen.«
»Aber meine Arbeit …« Hearn deutete auf den Bildschirm.
»In gewisser Weise arbeiten Sie heute Abend auch. In der Oper ist ein Mann, den ich als Geldgeber gewinnen möchte.« Spalko wirkte so entspannt, so nonchalant, dass Hearn nicht den geringsten Verdacht schöpfte. »Dieser Mann … er heißt übrigens László Molnar …«
»Nie von ihm gehört.«
»Das wundert mich nicht.« Spalko sprach leise und mit Verschwörermiene. »Er ist sehr reich, will aber unbedingt vermeiden, dass sein Reichtum bekannt wird. Er steht auf keiner meiner Spenderlisten, das kann ich Ihnen versichern, und wenn Sie auch nur eine Andeutung über seine Vermögensverhältnisse machen, kommen Sie nie wieder mit ihm ins Gespräch.«
»Ich verstehe völlig, Sir«, sagte Hearn.
»Er ist so etwas wie ein connoisseur , ein Kenner, auch wenn dieses Wort viel von seiner ursprünglichen Bedeutung verloren hat.«
»Ja, Sir.« Hearn nickte. »Ich denke, ich weiß, was Sie meinen.«
Spalko war überzeugt, dass der junge Mann keine Ahnung hatte, was er meinte, und empfand bei diesem Gedanken vages Bedauern. Auch er war einst – vor hundert Jahren, so erschien es ihm jetzt – so naiv gewesen wie Hearn. »Jedenfalls ist Molnar ein großer Opernliebhaber.
Er hat seit vielen Jahren ein Abonnement.«
»Ich weiß genau, wie man mit schwierigen Kandidaten wie László Molnar umgeht.« Hearn schlüpfte in sein Jackett. »Sie können sich auf mich verlassen, Sir.«
Spalko grinste. »Ich weiß, dass ich auf Sie zählen kann.
Sobald Sie ihn an der Angel haben, möchte ich, dass Sie ihn ins Underground lotsen. Kennen Sie diese Bar, Ethan?«
»Natürlich, Sir. Aber es wird ziemlich spät werden.
Nach elf Uhr, fürchte ich.«
Spalko legte einen Zeigefinger an die Nase. »Noch ein Geheimnis. Molnar ist ein ziemliches Nachtlicht. Aber er wird sich sträuben. Ihm scheint es Spaß zu machen, sich überreden zu lassen. Sie dürfen nicht lockerlassen, Ethan, ist das klar?«
»Sonnenklar.«
Spalko drückte ihm einen Zettel mit Molnars Sitznummer in die Hand. »Also los! Amüsieren Sie sich gut.«
Er gab ihm einen kleinen Schubs. »Und viel Erfolg!«
Die imposante Säulenfassade des Magyar Állami Operaház, der Ungarischen Staatsoper, war in helles Licht getaucht. Drinnen glitzerte der prächtige, in Gold und Rot gehaltene Zuschauerraum mit seinen drei Rängen im Schein von zehntausend Lichtpfeilen, die von dem riesigen Kristalllüster ausgingen, der wie eine riesige Glocke von dem mit Gemälden geschmückten Deckengewölbe
herabhing.
An diesem Abend wurde Zoltán Kodalys Háry János gegeben: eine traditionell sehr beliebte Oper, die seit 1926 auf dem Spielplan stand. Als Ethan Hearn das riesige Marmorfoyer betrat, hallte es bereits von den Stimmen der versammelten Budapester Gesellschaft wider.
Obwohl sein Smoking aus feinem Kammgarn gearbeitet und gut geschnitten war, stammte er von keinem der großen Modemacher. In Hearns Beruf kam es sehr darauf an, was er trug und wie er es trug. Er tendierte zu eleganter, dezenter Kleidung, die nie zu auffällig oder zu teuer wirken durfte.
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