Das Bourne-Vermächtnis
du hast von Alex gehört.«
»Ja, mon ami . Der CIA-Direktor hat dich auf die Abschussliste der Agency gesetzt. Aber ich glaube kein Wort davon. Du kannst Alex unmöglich ermordet haben. Weißt du schon, wer’s war?«
»Das versuche ich gerade rauszukriegen. Sicher weiß ich im Augenblick nur, dass ein gewisser Chan in den Fall verwickelt sein muss.«
Am anderen Ende herrschte so lange Schweigen, dass Bourne schließlich fragen musste: »Jacques? Bist du noch da?«
»Gewiss, mein Freund. Du hast mich erschreckt, das war alles.« Robbinet atmete tief durch. »Diesen Chan, den kennen wir. Er ist ein Profi, ein erstklassiger Auftragskiller.
Wir wissen, dass er für über ein Dutzend Morde an prominenten Persönlichkeiten in aller Welt verantwortlich ist.«
»Wer sind die Zielpersonen?«
»Hauptsächlich Politiker – zum Beispiel der Präsident von Mali –, aber manchmal auch prominente Geschäftsleute. Unseres Wissens sind seine Taten weder politisch noch ideologisch motiviert. Er übernimmt die Aufträge allein wegen des Geldes. Nur darauf kommt’s ihm an.«
»Diese Sorte ist die gefährlichste …«
»Zweifellos, mon ami «. sagte Robbinet. »Verdächtigst du ihn, Alex ermordet zu haben?«
»Er könnte es gewesen sein«, antwortete Bourne. »Ich bin ihm auf dem Anwesen begegnet, nachdem ich die Leichen gefunden hatte. Vielleicht hat er die Polizei angerufen, denn sie ist gekommen, als ich noch im Haus war.«
»Eine klassische Falle«, bestätigte Robbinet.
Bourne schwieg einen Augenblick, weil er an Chan
dachte, der ihn auf dem Campus oder später von der Weide am Bachufer aus hätte erschießen können. Für Chan war dies offenbar kein gewöhnlicher Auftrag; vielmehr schien es sich um eine Art Vendetta zu handeln, die ihren Ursprung im südostasiatischen Dschungel hatte.
Die logischste Annahme war, dass Bourne Chans Vater getötet hatte. Jetzt befand sein Sohn sich auf einem Rachefeldzug. Weshalb wäre er sonst so von Bournes Familie besessen gewesen? Weshalb hätte er sonst behauptet, Bourne habe Jamie verlassen? Diese Theorie passte genau zu den bisher bekannten Umständen.
»Was kannst du mir noch über Chan erzählen?«, fragte Bourne jetzt.
»Sehr wenig«, antwortete Robbinet, »nur sein Alter: Er ist siebenundzwanzig.«
»Er sieht jünger aus«, meinte Bourne nachdenklich.
»Außerdem ist er ein Eurasier.«
»Angeblich ist er zur Hälfte Kambodschaner, aber das sind nur Gerüchte …«
»Und die andere Hälfte?«
»Da könnte ich auch nur raten. Er ist ein Einzelgänger, anscheinend ohne Laster, Wohnsitz unbekannt. Vor sechs Jahren ist er schlagartig bekannt geworden, als er den Premierminister von Sierra Leone ermordet hat. Davor hat er praktisch nicht existiert.«
Bourne sah in den Rückspiegel. »Also hat er erstmals offiziell gemordet, als er einundzwanzig war.«
»Eine gelungene Coming-out-Party«, sagte Robbinet trocken. »Hör zu, Jason, was diesen Chan angeht, kann ich gar nicht genug betonen, wie gefährlich er ist. Wenn er irgendwas mit dieser Sache zu tun hat, rate ich zu äu
ßerster Vorsicht.«
»Das klingt, als hättest du Angst, Jacques.«
»Die habe ich allerdings, mon ami . Ist Chan an einer Sache beteiligt, dann ist das keine Schande. Das gilt auch für dich. Eine gesunde Dosis Angst macht vorsichtig, und Vorsicht ist hier angebracht, das kannst du mir glauben.«
»Ich werd’s mir merken«, sagte Bourne. Er wechselte die Spur, fuhr langsamer und hielt Ausschau nach der richtigen Ausfahrt. »Alex hat an etwas gearbeitet, und ich glaube, dass er deswegen ermordet worden ist. Weißt du zufällig, woran er gearbeitet hat?«
»Ich habe Alex zuletzt vor etwa einem halben Jahr hier in Paris getroffen. Wir waren miteinander essen. Mein Eindruck war, dass er in Gedanken ganz woanders war.
Aber du kennst Alex ja – immer schweigsam wie ein Grab.« Robbinet seufzte. »Sein Tod ist ein schrecklicher Verlust für uns alle.«
Bourne verließ den Beltway über die Ausfahrt 123 und fuhr zu Tysons Corner weiter. »Sagt NX 20 dir irgendetwas?«
»Mehr hast du nicht? NX 20?«
Er fuhr zur Parkterrasse C von Tysons Corner. »Mehr oder weniger. Ich möchte, dass du Erkundigungen wegen eines Mannes anstellst: Dr. Felix Schiffer.« Er buchstabierte den Namen. »Er arbeitet bei der DARPA.«
»Ah, damit lässt sich etwas anfangen. Mal sehen, was ich für dich tun kann.«
Bourne gab ihm seine Handynummer, während er aus
dem Wagen stieg. »Pass auf, Jacques, ich bin nach Budapest
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