Das brennende Gewand
Frau Sophia, nicht im Walten höherer Mächte?«
Almut lächelte den klugen Alchemisten an. Sie hatten beide dieselbe Vorstellung davon, um was es sich bei den so oft beschworenen Geistern handelte.
»Ich vermute Erinnerungen oder eine schlimme Erkenntnis. Seht, Clara ist bisher immer sehr wehleidig gewesen, und mich wundert es, dass sie diesmal die Schmerzen stumm erduldet. Ja, ich musste sie sogar erpressen, damit sie unsere Hilfe annahm. Sagt mir, Meister Krudener, welche Dämonen bewirken diese Krankheit?«
Wissend nickte der Alchemist und fragte: »Hat sie in der letzten Zeit Trauer oder Angst gezeigt?«
»Wut und Verbitterung habe ich bemerkt. Sie hat Pergamente abgerieben. Viele.«
»Dann befürchte ich, dass ich die Ursache ihres Leids bin.«
»Nie und nimmer, Meister Krudener.«
»Oh doch. Vor einigen Wochen kam Eure bewunderungswürdige Frau Clara zu mir und legte mir ein langes Traktat vor. Eine ungewöhnlich geistreiche Abhandlung über die Übersetzung gewisser Bibelstellen, die aber bedauerlicherweise nicht mit der kirchlichen Lehre konformierten. Ich beriet mich mit Ivo darüber, der ihr Werk ebenfalls für überlegen hielt, jedoch dieselbe Warnung aussprach wie ich.«
»Ich wusste nicht, dass sie so etwas verfasst hat.«
»Wenn ich es richtig verstand, hat sie bereits seit Jahren daran gearbeitet. Es zeugt von einem umfassenden Wissen, großer Belesenheit und einem klaren Geist. Nur würde es sie, wenn es jemals Verbreitung fände und in die falschen Hände fiele, geradewegs auf den Scheiterhaufen befördern.«
»Clara? Eine Ketzerin?« Almut faltete die Hände im Schoß und überlegte einen Moment. Dann aber seufzte sie: »Wenn ich es recht bedenke, mag das stimmen. Sie hat zwar das große Talent, wie ein schwachsinniges Schaf dreinzublicken, wenn unsere geistlichen Berater salbungsvoll predigen, aber mir gegenüber hat sie oft sehr eigenwillige Gedanken geäußert. Ich hingegen - na ja, ich bekomme das mit dem Schafsgesicht nicht so hin, und meine Zunge ist leider so viel schneller als mein Witz.«
»Nein, Frau Almut, sie ist ebenso schnell wie Euer Witz, nur unvorsichtiger. Aber Claras Handeln dauert mich. Denn nun hat sie Pergamente abgerieben«, kam es tieftraurig von Krudener. »Ich fürchte, sie hat ihr Lebenswerk vernichtet.«
»Zu ihrem eigenen Besten.«
»Wer weiß? Auch Ivo, erinnert Euch, hat einst eine ketzerische Schrift verfasst, ein kluges Werk, das ihn fast das Leben gekostet hat. Er wurde nicht verbrannt, aber seine Seele hat Schaden genommen, und die Bitterkeit hat sein Herz versteinern lassen.«
»Ja, ich weiß. Ihr glaubt nun, Trauer und Bitternis haben Claras Krankheit hervorgerufen?«
»So etwas gibt es, Frau Almut. Möglicherweise deutete sie es so, als ob der brennende Ausschlag die Buße für ihr Tun ist. Darum erleidet sie die Schmerzen stumm.«
»Ich möchte ihr helfen. Sie ist mir immer eine gute Freundin gewesen. Aber außer ihr Salben und Tinkturen aufzudrängen, kann ich nichts tun.«
»Vielleicht doch. Vertraut Eurer Weisheit und dem Rat der himmlischen Mutter.«
»Ich werde...«
Was Almut sagen wollte, ging in einem ohrenbetäubenden Knall unter, und grüne Funken stiebten aus dem Kamin. Die graue Katze raste schreiend durch die Hintertür hinaus, der Papagei kreischte, Trine wedelte den Rauch mit den Händen fort, und Krudener lachte haltlos.
»Heiliger Florian, bewahre uns vor Blitz und Feuersbrunst«, murmelte Almut erschrocken, und Trine kam zu ihr, um ihr den Arm um die Schultern zu legen. Dann erklärte sie ihr mit einigen raschen Fingerbewegungen, dass sie nur ein kleines Experiment gemacht habe.
»Experiment?«
»Oh ja, meine findigreiche Gehilfin hat eine Vorliebe für knallende, bunt funkelnde Lichteffekte entwickelt, seit sie letzthin die explosive Kraft von Schwefel und Salpeter entdeckt hat. Jetzt experimentiert sie mit den unterschiedlichen Stoffen, und wie es aussieht, sind ihr nicht nur rote, blaue und goldene Effekte gelungen, sondern nun auch grüne Blitze.«
»Wozu soll das gut sein?«
»Keine Ahnung.«
Almut schüttelte den Kopf. Trine hatte schon früher größte Wissbegier in alchemistischen Verfahren bewiesen und recht gerne mit dem Feuer gespielt, weshalb die Enden ihrer honigblonden Zöpfe gelegentlich ein wenig angesengt wirkten. Mit einem Lachen hielt ihr die Vierzehnjährige ein kleines Stoffsäckchen hin.
»Was soll ich damit?«
»Wirf es in den Kamin«, deutete sie an.
»Und dann knallt und funkelt es wieder,
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