Das brennende Gewand
ist. Nein, er gab ihm das Brevier, das Christine illuminiert hat. Ein wirkliches Kunstwerk. Selten sah ich Ivo so bewegt.«
»Dann freut es mich für ihn. Ich werde ihn bitten, es mir zu zeigen. Die Buchmalerin hatte ein großes Talent.« Und nachdenklich fügte sie hinzu: »Magda hätte es Esteban gerne abgekauft, aber er war nicht bereit, es herzugeben.«
»Eine große Geste, ich verstehe. Es war seine letzte Verbindung zu der Frau, die er liebte und die der Wahnsinnige getötet hat.«
Von draußen rief jemand nach dem Apotheker.
»Das werden Judith und Irmela sein, die mich abholen wollen«, erklärte Almut, und Krudener stand auf, um den Vorhang zur Seite zu schieben. Doch es waren nicht die beiden Seidweberinnen, sondern ein atemloser Bursche, der keuchend seine Botschaft stammelte: »Ihr sollt zu meinem Herrn kommen. Sein Herz. Ihr wisst schon!«
»Dein Herr, Junge?«
»Der Herr vom Spiegel!«
Auch Almuts Herz machte einen angstvollen Satz, und Trine nahm ihre Hand.
»Ich nehme an, du meinst den Herrn Gauwin vom Spiegel. Er befindet sich in seinem Haus am Alter Markt?«
»Ja, Meister. Bitte, Ihr mögt so schnell kommen, wie es geht.«
»Ich komme, Junge, aber zuvor will ich die passenden Arzneien zusammensuchen.«
»Ich begleite Euch, Meister Krudener. Auch Trine sollte mitkommen.«
»Ja, ich könnte Eure Hilfe benötigen.«
Mit ruhigen, aber sehr entschiedenen Bewegungen packte Krudener einige Phiolen und Dosen zusammen, während Trine ihre Schürze ablegte und sich die rußigen Hände wusch.
Zwar hatte sich Almuts Angst ein wenig gelegt, doch machte sie sich Sorgen um den alten Herrn. Ivos Vater hatte ein müdes Herz, das ihn schon einmal im Stich gelassen hatte. Sie fürchtete um sein Leben.
7. Kapitel
Ivo vom Spiegel saß neben seinem Vater, der mit blauen Lippen um Atem rang. Abt Theodoricus stand schweigend am Fenster und sah zur Gasse hinaus. Endlich drehte er sich um.
»Sie kommen. Krudener, Trine und deine Begine.«
»Nein. Nicht sie.«
»Versuch sie zu hindern.«
»Theo, ich kann ihr jetzt nicht gegenübertreten.«
»Es bleibt dir so oder so nicht erspart. Denn sie schätzt deinen Vater sehr.«
Mit verschlossenem Gesicht stand der Herr vom Spiegel, noch immer Pater Ivo, auf und ging zur Tür, um den Apotheker und seine Begleiterinnen zu empfangen.
»Was ist deinem Vater passiert, Ivo?«, wollte Krudener wissen, als er die Treppe zu den oberen Gemächern emporstieg.
»Er drückte sich plötzlich die Hand ans Herz, stöhnte und brach zusammen. Wir haben seine Kleider gelöst und versucht, ihm Wein einzuflößen. Ich fürchte jedoch, er ist noch immer ohne Besinnung.«
»Hat er sich über irgendetwas aufgeregt, erschreckt oder geärgert?«
»Mag sein.«
Almut ging hinter den beiden Männern und spürte die Anspannung, die von Ivo ausging. Es mochte die Sorge um das Leben seines Vaters sein, aber da schwang noch etwas anderes mit. Ihre bösen Ahnungen nahmen zu, als sie den Abt von Groß Sankt Martin ebenfalls in der Stube vorfand. Die beiden ältlichen Witwen, die mit im Haus lebten, hockten leise betend am Kamin, und Frau Nelda, die Haushälterin, hielt dem Leidenden einen Becher an die Lippen.
»Ivo, Theo, Frau Almut, es sind zu viele Menschen hier im Raum. Lasst mich mit Trine allein. Ich rufe, falls ich Hilfe benötige«, sagte Krudener und beugte sich über den Kranken.
»Ja, lassen wir ihn seine Arbeit tun. Ich verabschiede mich, Ivo. Gib mir Bescheid, sowie eine Veränderung eintritt.«
Theodoricus nickte Almut mit ernstem Blick zu und ging zur Treppe, die beiden Witwen huschten hinaus, und Ivo wies mit einer Handbewegung zu einer weiteren Tür.
»Tretet ein, Begine. Ich kann das Haus nicht verlassen, solange ich nicht weiß, wie es um meinen Vater steht, sonst würde ich Euch heimbegleiten.«
»Bin ich Euch in der Stunde der Not so lästig, Herr vom Spiegel?« Leise Kränkung klang aus Almuts Worten. Der Raum, in den er sie geführt hatte, war mit einem Lesepult ausgestattet, und eine stattliche Anzahl Folianten, Schriftrollen und Codizes lagen auf kunstvoll geschnitzten Regalen - das Studierzimmer eines gebildeten Mannes. Sie ahnte, dass ihr unwilliger Gastgeber hier seine Gelehrsamkeit begründet hatte.
»Ihr könnt hier nicht helfen, Begine. Der Apotheker ist es, der weiß, was zu tun ist.«
»Für Euren Vater ja, aber wie steht es mit Euch? Ihr wollt Euer Leid nicht mit mir teilen?«
Er antwortete nicht, sondern ging mit hinter dem Rücken verschränkten
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