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Das brennende Gewand

Das brennende Gewand

Titel: Das brennende Gewand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Sie verteidigen ihre Verstecke, und sie kennen weit mehr Fluchtwege und Schlupflöcher, als wir nur ahnen können.«
    »Gut, das verstehe ich, und vermutlich kann dieses Gesindel auch in der Dunkelheit mehr wahrnehmen und sich heimlicher bewegen als unsereins. Also werden einige von ihnen jenen schrecklichen Kampf beobachtet haben.« Almut verstummte, dann aber stieß sie hervor: »Heilige Mutter Maria, und ich habe ihm sogar noch aufgetragen, sich um Schreinemakers Leichnam zu kümmern. Hätte ich doch bloß meinen Mund gehalten!«
    »Das Letzte, was uns weiterbringt, Frau Almut, sind Eure sinnlosen Schuldgefühle«, herrschte Gauwin vom Spiegel sie unerwartet laut an.
    »Er hätte es so oder so getan, Frau Almut. Oder ich - dann stünde mir die Anklage ins Haus, und ich hätte noch nicht einmal das Kloster, das mich schützt. Es ist geschehen, und wir müssen beraten, wie wir weiteres Unheil von Ivo abwenden können. Helft uns nachdenken, Frau Sophia.«
    Krudeners sanfte Stimme milderte Almuts Erregung, und seine Bitte und sein Vertrauen in ihren Witz forderte ihre eifrigen Gedanken heraus. Sie akzeptierte den Pokal mit süß gewürztem, goldenem Wein, nippte daran und beschäftigte sich mit dem Problem.
    Einer Lösung kam sie nicht näher, doch eine Frage wollte nicht aufhören, an ihr zu nagen. Sie verknotete ihren Magen, drängte sich durch ihre Kehle, und ihre Zunge formte sie, ohne dass sie es wollte.
    »Warum jetzt erst?«
    Krudener hub an: »Weil Frau Lena den richtigen Moment...«
    »Nichts da! Georg, Frau Almut hat recht. Wieso ist es erst zu diesem Zeitpunkt ans Licht gedrungen? Die Molche und Ratten wussten es von Anfang an. Es kümmert sie wenig, wer seinen Abfall in den Kanälen beseitigt. Wer hat im Schlamm gewühlt und sie zum Sprechen gebracht?«
    »Genau das meine ich, Herr vom Spiegel. Wer wühlt?« Plötzlich fiel ihr die eigenartige Formulierung ein, die Rigmundis gewählt hatte. Auch sie hatte von lichtlosen Abgründen gesprochen.
    »Frau Almut?«
    »›Hinter der schwarzen Larve blickten sie in lichtlose Abgründe.‹ Das hat Rigmundis vor einer Woche gesehen. Ich weiß nicht, ob es etwas damit zu tun hat. Aber irgendwer hat Nachforschungen angestellt mit der Absicht, Eurem Sohn zu schaden, Herr vom Spiegel.«
    »Das, Kind, ist einfacher zu glauben, als Ivo für einen Verbrecher zu halten. Ihr macht mir Hoffnung. Denn des Menschen Handwerk kann man legen.«
    »Wenn man denn weiß, welches Handwerk er zu welchem Zwecke betreibt. Und - verzeiht - wer es betreibt.«
    »Er hat Thomas den Vergolder verprügelt, was unklug war. Jemand hat es beobachtet und ihm die Schuld für den Unfall zugewiesen. Zufällig und zum selben Zeitpunkt erhebt Lena Anklage.« Krudener fuhr mit dem Finger über das Muster des Pokals. »Wie üblich, Frau Almut, habt Ihr die richtige Frage gestellt.«
    »Und wie üblich weiß ich keine Antwort.«
    »Die findet sich manchmal ebenfalls zufällig«, stellte Gauwin vom Spiegel fest, und Almut bemerkte, dass sein Gesicht nicht mehr ganz so grau war. Auch der Druck von ihrem Herzen war ein klein wenig genommen. Es eröffneten sich zumindest Gelegenheiten, etwas für Ivos Rettung zu tun, selbst wenn es derzeit aussichtslos erschien, für ihn den Dispens zu erlangen. Aber ein Schritt nach dem anderen, mahnte sie sich selbst und zitierte, um sich und ihre beiden Zuhörer aufzumuntern: »›Wer in Unschuld lebt, der lebt sicher; wer aber verkehrte Wege geht, wird ertappt werden.‹ So lehrt uns der weise Salomo.«
    »Nun ja, wenn der es sagt.« Gauwin vom Spiegels Vertrauen in den Weisen schien nicht besonders gefestigt zu sein.
    »Frau Almut, Eure Seherin hat also wieder eine Vision gehabt. Können wir in ihren Worten vielleicht weitere Zusammenhänge erkennen?«
    »Visionen? Wirre Spinnereien eines alten Weibes? Georg, Ihr enttäuscht mich.«
    »Tut es nicht leichtfertig ab. Sie hat eine seltene Gabe.«
    Almut mischte sich ein: »Ja, sie sieht Bilder und Szenen, aber wir wissen nie, ob es sich um Vergangenes, Gegenwärtiges oder Zukünftiges handelt. Es ist einfach so, dass wir hinterher immer eine passende Deutung für ihre Worte finden. Trotzdem... sie sprach von einer wortgewandten Frau, die Teig rührt und mit ihren Worten Schaden anrichtet. Die Pastetenbäckerin Lena schwatzt viel mit ihren Kunden. Der Rest - mhm - Warnung vor Verrat, Verführung, Wahnsinn. Und Trines bunte Feuer. Ich finde nicht, dass es uns im Augenblick viel weiterhilft. Eher das verschlüsselte Pergament,

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