Das brennende Gewand
er schließlich fest und blieb vor dem Benediktiner stehen.
»Meine Verfehlungen der Vergangenheit sind nicht vergeben und nicht vergessen. Sie werden die neuen Entwicklungen befruchten«, kam es dumpf zur Antwort.
Der Abt nahm seine Wanderung wieder auf und wurde von Bruder Johannes, seinem Adlatus, unterbrochen, der leise an der Tür kratzte.
»Was gibt es, Bruder?«
»Der Bote, ehrwürdiger Vater!«
Der sorgenvolle Ausdruck wich aus Theodoricus’ Gesicht, und mit erleichterter Stimme forderte er: »Soll hereinkommen und berichten. Wir erwarten dringend seine Nachricht.«
»Ein Bote?«
Auch Ivos Stimme klang weniger hoffnungslos.
»Ich schickte Bruder Gerhard nach Poppelsdorf.«
Der blonde Mönch trat hinter Bruder Johannes ein und begrüßte ehrerbietig seinen Abt.
»Sprich!«, forderte der kurz.
»Es wurde mir zu wissen gegeben, ehrwürdiger Vater, dass man zu keinen weiteren Verhandlungen bereit ist. Die Entscheidung sei gefallen, man möge den Erzbischof nicht weiter mit der Angelegenheit belästigen. Die Tatsache, dass der Kurier ermordet worden ist, ehrwürdiger Vater, stärkte unsere Position nicht gerade.«
Einen Moment lang sah Theodoricus den staubigen Boten an, dann sagte er ebenso knapp wie vorher: »Danke, du bist entlassen.«
Lautlos zog sich Bruder Gerhard zurück, und Johannes schloss die Tür hinter sich und ihm.
»Die Vergangenheit hat mich eingeholt«, stellte Pater Ivo tonlos fest.
»Wir werden weiter verhandeln. Es war möglicherweise zu früh, einen neuen Vorstoß zu wagen.«
»Sie werden nur den alten Fall wieder aufrollen. Wer weiß, wie die Inquisition diesmal urteilt.«
Abrupt blieb der Abt vor ihm stehen.
»Ivo, gibt es etwas, was ich nicht weiß? Hast du Verfehlungen vertuscht, dir Feinde gemacht, Sünden begangen, die nie an das Licht der Öffentlichkeit gedrungen sind?«
»In meinen Gedanken, nicht in meinen Worten und Werken, ehrwürdiger Vater. Doch das mag ausreichen.«
Wieder wurde an der Tür gekratzt, und diesmal kündigte Bruder Johannes die beiden Novizen Bertram und Lodewig an, die beide schwitzend vor Aufregung und mit roten Köpfen eintraten. Theo bemühte sich um einen gütigen Tonfall, als er fragte: »Meine Söhne, was führt euch zu mir?«
»Bertram, ehrwürdiger Vater, hat seine Mutter besucht«, übernahm der rundliche Lodewig das Wort. »Ich habe gedacht, dass das, was er mir erzählt hat, für… für Pater Ivo wichtig sein könnte. Und weil doch... weil doch Pater Ivo wieder hier ist, ich meine, wegen dem Geschwätz...«
»Dann erzähle uns, was du bei deiner Mutter erfahren hast, Bertram.«
Der junge Holzschnitzer druckste herum, und es bedurfte eines aufmunternden Rippenstoßes von seinem Freund, bis er sich endlich traute, den Mund aufzumachen.
»Meine Mutter, Lena, die Pastetenbäckerin, Ihr wisst doch...«
»Ja, wir wissen, wer deine Mutter ist, mein Junge«, murmelte Pater Ivo.
»Meine Mutter hat Anklage gegen Euch erhoben. Sie meint, Ihr hättet vor Ostern ihren Bruder, meinen Onkel, den Claas Schreinemaker umgebracht.«
»Wann hat sie Anklage erhoben?«, wollte der Abt wissen.
»Heute Morgen, ehrwürdiger Vater.«
»Das fällt ihr aber reichlich früh ein!«
»Ich glaube, es ist wegen der anderen Sachen. Weil es doch heißt, der Thomas... Oh mein Gott, es tut mir so leid, Pater Ivo.« Bertram schluchzte auf und fuhr sich mit dem Kuttenärmel über das Gesicht. »Ihr wart immer so gut zu mir. Und ich weiß doch, was mein Onkel getan hat.«
»Es ist gut, mein Sohn«, sagte Theodoricus und legte den beiden verstörten Novizen die Hände auf die Schultern. »Geht und schweigt darüber. Versprecht uns, keinem anderen von diesen Verleumdungen zu berichten.«
»Selbstverständlich, ehrwürdiger Vater.«
»Natürlich nicht, ehrwürdiger Vater.«
»Ihr seid entlassen.«
Die beiden Novizen huschten aus dem Raum, und der ehrwürdige Vater betrachtete inniglich das kleine, auf Goldgrund gemalte Bild der Madonna im Rosenhag. Dann entfuhr ihm plötzlich ein dermaßen heftiger Fluch, dass selbst Pater Ivo vor Entsetzen zusammenzuckte.
»Wer weiß von der Angelegenheit?«, fauchte er dann.
»Die Ratten in den unterirdischen Gängen. Es gibt immer Ratten, und ich habe den blutigen Leichnam damals durch diese Katakomben bis zu ihrer Einmündung in den Hafen gebracht, wo man ihn später aus dem Wasser gefischt hat.«
»Menschliche Ratten. Irgendein Rattenfänger hat sie aufgetan. Ich verstehe.«
»Und, ehrwürdiger Vater, ich trage
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