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Das brennende Gewand

Das brennende Gewand

Titel: Das brennende Gewand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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konnte. Aber mit einer Hand zupfte Franziska ein recht großes Goldkreuz aus dem Ausschnitt und zeigte es stolz vor. »Das hat er mir zusätzlich zur Bezahlung geschenkt. Weil er so zufrieden mit der Unterkunft und dem Essen war. Ein wirklich großzügiger Herr, nicht wahr? Eine Handvoll Flittergold hat er mir auch überlassen. Ich kann mich nur nicht entscheiden, ob ich es auf meine Sonntagshaube nähe oder an den Ausschnitt meines besten Kleides.«
    Almuts Gedanken überschlugen sich, aber keiner davon war geeignet, der Adlerwirtin vorgetragen zu werden. Sie brachte einige zustimmende Geräusche über ihre Lippen und wollte eigentlich aufbrechen, aber Franziska bekam plötzlich einen harten Zug um den Mund.
    »Wenn Ihr jemanden sucht, Almut, der hinter eurem Pater herspioniert, dann solltet Ihr ein Augenmerk auf diesen Hardwin halten.«
    »Euer neuer Pferdeknecht?«
    »Ein komischer Kauz, wenn Ihr mich fragt. Schleicht auf Samtpfoten umher, taucht hier und da auf, wo man ihn nicht erwartet, und stellt den Leuten allerlei Fragen. Sogar in fremden Sprachen.«
    »Dann sollte ich mich mal mit ihm unterhalten. Wo finde ich ihn? In der Schmiede?«
    »Da werdet Ihr nichts als einen furzenden Kappesbauern mit seiner lahmen Mähre antreffen. Der Hallodri ist gestern auf und davon und zwar mit dem besten Pferd im Stall. Das hat ein Weinkaufmann eingestellt, und gnade uns Gott, wenn er damit nicht bald wieder auftaucht.«
    »Er hat nicht darüber gesprochen, wohin er reiten wollte?«
    »Nichts hat er gesagt. Verschwunden ist er, doch seinen besten Kittel und ein paar Stiefel hat er hiergelassen.«
    »Gebt mir Bescheid, sobald er zurückgekehrt ist. Mich hat schon neulich sein beharrlicher Blick in meinem Nacken gestört.«
    »Ja, nicht wahr? Er mustert die Leute mit so einem kalten Ausdruck. Nichts kann man in seinen Augen lesen. Ich verstehe Simon nicht, warum er ihn behält. Manchmal habe ich Angst um mein ungeborenes Kind, wenn mich seine eisigen Blicke beim Umherschweifen treffen.« Wie haltsuchend umfasste Franziska das Kreuz an ihrem Hals.
    »Wo kommt er her?«
    »Er sagt, er habe im Dienst von Gero von Bachem gestanden. Aber das kann jeder behaupten.«
    »Es würde aber zumindest erklären, warum er beim Adler um Anstellung nachgesucht hat und sich nach Ivo vom Spiegel erkundigt hat«, meinte Almut.
    Der Ritter Gero von Bachem hatte um die Weihnachtszeit Kirchenasyl in Groß Sankt Martin genommen und dabei nicht nur den Pater, sondern auch die Beginen und die Wirtsleute kennengelernt. Im Grunde hätte der Dienst bei dem Edelmann als guter Leumund für den Pferdeknecht gelten können, aber Almut war misstrauisch geworden. Sie verabschiedete sich von der Adlerwirtin so freundlich, wie es ihr in ihrer sorgenvollen Stimmung möglich war und machte sich, entgegen allen Gepflogenheiten, alleine auf den Weg zum Haus ihrer Halbschwester Aziza.
     
    Die sonnigen Maitage waren einem bewölkten Himmel gewichen, und ein leichter Nieselregen hielt den Staub auf den Wegen. Die breite Straße, die vom Eigelsteintor quer durch die Stadt nach Süden führte, war dennoch belebt, und manchem mit Fässern und Säcken hoch beladenen Ochsenkarren musste sie ausweichen. Geharnischte zwängten sich rücksichtslos zwischen Eselstreiber und Handwerksburschen hindurch, Wäschermädchen mit Körben wichen ihnen quietschend aus, behäbige Nonnen bedachten sie mit empörten Blicken. Ein fliegender Händler schleppte Besen, Bürsten, Kardätschen und Striegel mit sich und wurde von einer Rasselbande Kinder mit Spottversen bedacht, und alles in allem war Almut froh, als sie in die Burgstraße einbiegen konnte. Hier ging es etwas ruhiger zu, unter den vorkragenden Stockwerken der schmalbrüstigen Fachwerkhäuser betreuten Handwerker ihre Verkaufsstände, gingen ihrer Beschäftigung nach oder schwatzten. Eines der vielen Häuschen bewohnte Aziza, die in der Gasse als die maurische Hure bekannt war, obwohl alle ihre Nachbarn genau wussten, dass sie die christliche Taufe erhalten hatte und auch regelmäßig zur Kirche ging. Sie hatte, das war Almut sehr schnell klar geworden, als sie sie kennengelernt hatte, einen ausgezeichneten Ruf als Geldverleiherin, und sie verdiente zudem recht gut an den exquisiten Teppichen, die sie herstellte.
    »Meine keusche Schwester!«, begrüßte Aziza sie bereits an der Tür. »Ich habe mir schon gedacht, dass dich dein Weg über kurz oder lang zu mir führt. Komm herein.«
    Anders als die üblichen Handwerker, deren

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