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Das brennende Gewand

Das brennende Gewand

Titel: Das brennende Gewand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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hüllte es sofort in ein Leinentuch. Es hatte keiner Hilfsmittel bedurft, um das vorzeitige Ende der Schwangerschaft herbeizuführen. Die Hebamme hatte es schon bei der ersten Untersuchung geahnt, dass die werdende Mutter das Kind nicht würde austragen können. Sie hatte versucht zu helfen, so wie sie immer half. In diesem Fall mochte es jedoch ein Segen sein, dass die Natur selbst das Leid beendet hatte, denn ihre Klientin, fast selbst ein Kind noch, war von ihrem eigenen Vater geschwängert worden, und die Sünde der Inzucht wog schwer. Darum wusste auch außer dem Mädchen und ihr niemand von dem unseligen Zustand, und kein Priester würde gerufen werden, um das winzige Stückchen Mensch zu taufen.
    Es kam der Hebamme gerade recht. Sie half der jungen Frau bei der Nachgeburt, säuberte und räumte das blutige Stroh zusammen und verließ die Scheune im Dunkeln und ungesehen mit einem umfangreichen Beutel unter dem Arm.
    Er beinhaltete bares Gold, und ein kleiner Hinweis an der richtigen Stelle brachte zu sehr später Stunde noch Kundschaft. Schwere Münzen wechselten die Hände, und ein trauriger kleiner Leichnam wurde einer Bestimmung übergeben, über die die Hebamme lieber nicht nachdenken wollte.

18. Kapitel
    Die Wohnstube im Haus des Baumeisters Bertholf strahlte gesetzten Wohlstand und Gemütlichkeit aus. Durch die bleiverglasten Fenster huschten die Schatten, die die vorbeiziehenden Wolken warfen, und weil es noch einmal kühl geworden war, brannte an diesem Nachmittag ein kleines Feuer im Kamin. Der schwarze Kater hatte es sich davor gemütlich gemacht und schnurrte leise im Schlaf. Frau Barbara, Almuts Stiefmutter, trug ein pelzverbrämtes, ärmelloses Jäckchen aus dunkelrotem Samt, an dem kleine Goldflitter aufgenäht waren, über einem tannengrünen Gewand. Sie hatte bei dem sonntäglichen Messgang für Aufsehen gesorgt, doch Almut hatte keine einzige Bemerkung zu ihrer eleganten Aufmachung verloren. Sie saß auf dem Hocker neben dem Spinnrad und betrachtete mutlos ihre untätigen Hände.
    Frau Barbara hatte ebenfalls ihre Stickerei ruhen lassen und suchte nach Worten. Schließlich fand sie sie.
    »Ivo vom Spiegel will sich einmauern lassen, um nicht mehr zu sündigen. Weil ein paar idiotische Schwätzer ihm einen oder mehrere Morde anhängen wollen. Habe ich das wirklich richtig verstanden?«
    »Es sind leider keine idiotischen Schwätzer, fürchte ich, sondern es verbergen sich weit gefährlichere Machenschaften dahinter. Mich treibt inzwischen der Gedanke um, dass er diesen Umstand ahnt.«
    »Dann soll er sich seinem Abt anvertrauen. Oder seinem Vater. Oder seinen Freunden.«
    »Das wird er nicht tun, wenn er damit jemanden in Gefahr bringt. Ich glaube, er nimmt das Schicksal auf sich, das ihm vor dreizehn Jahren erspart geblieben ist.«
    »Du denkst mal wieder sehr viel verwinkelter als ich, Almut. Erkläre mir, was du damit meinst.«
    »Er hat eine Ketzerschrift verfasst und wurde verraten. Er hat sich geweigert zu widerrufen und sollte verbrannt werden. Seine Mutter machte ihren Einfluss geltend, und die Strafe wurde gewandelt. Er musste daraufhin ins Kloster eintreten.«
    »Das hast du mir schon einmal erklärt. Was hat das aber mit einem Leben als Incluse zu tun? Ich denke, diese Eremiten ziehen sich in die Einsamkeit zurück, um ihr Leben ganz Gott zu widmen.«
    »Das will er nicht. Theodoricus vermutet, dass er sterben will.«
    »Ich verstehe das noch immer nicht, Almut. Es gibt Inclusen, die steinalt werden.«
    »Er wird Nahrung und Wasser verweigern, und niemand kann ihn daran hindern, Frau Barbara. Das ist der Grund, warum der Abt sich so aufregt. Ivo wird auf seine Weise Selbstmord begehen, und damit die größte Sünde überhaupt auf sich laden.«
    »Er muss von Sinnen sein.«
    »Ja, mag sein. Vielleicht lastet etwas so sehr auf ihm, dass er keinen anderen Weg mehr sieht. Aber er ist der verschlossenste Mensch, der mir je begegnet ist. Dabei hatte ich noch vor wenigen Tagen gedacht, dass die Bitternis nun endlich von ihm abgefallen sei.«
    »Wenn jemand Einfluss auf ihn hat, Almut, dann doch gewiss du.«
    »Ich habe es versucht. Der Abt hat mich sogar darum gebeten und mich zu Ivos Zelle geführt. Er hat an seinem Betpult gekniet und sich nicht einmal umgedreht.«
    Leise schluchzte Almut auf. Frau Barbara stand auf und legte ihr die Arme um die Schultern.
    »Kleine, das ist alles so schrecklich.«
    »Ich dachte... er wäre der Richtige für mich, Frau Barbara. Ich hatte Hoffnung... an

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