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Das brennende Gewand

Das brennende Gewand

Titel: Das brennende Gewand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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zufrieden das gelöste Gesicht ihrer Stieftochter und nahm ihre Stickerei wieder auf. Als sie ihr kurz nach Ostern anvertraut hatte, dass Ivo vom Spiegel von seinen Ordensbanden befreit werden würde, war sie höchst erfreut gewesen. Sie akzeptierte zwar, dass Almut nach dem Tod ihres ersten, äußerst untauglichen Gatten in den Konvent der Beginen am Eigelstein gezogen war, hätte es aber weit lieber gesehen, wenn sie eine neue Ehe geschlossen hätte. Ihr Vater war sogar ausgesprochen ungehalten ob ihrer Entscheidung und versuchte sie beständig mit Heiratskandidaten seiner Wahl zu verkuppeln. Gerade gestern hatte er seinem Weib einen neuen Anwärter vorgestellt, einen gestandenen Dachdeckermeister mit vier halbwüchsigen Söhnen. Er hatte ihr den strengen Auftrag erteilt, diesen Mann seiner Tochter schmackhaft zu machen. Denn angesichts der noch ungeklärten Lage hatte Frau Barbara ihm nichts von ihren Vermutungen berichtet, die sie in Bezug auf Almut und den Herrn vom Spiegel hegte, und im Augenblick war sie ganz froh darüber. Man würde abwarten müssen, ob und wie die derzeitige Krise zu bewältigen war.
    Almut erwachte aus ihrer kurzen Meditation und erhob sich.
    »Danke, Frau Barbara. Ich glaube, ich werde noch vor der Vesper versuchen, Theodoricus die Pläne mitzuteilen.«
     
    Almut kam gerade noch rechtzeitig zum abendlichen Essen in den Konvent zurück. Zu den Mahlzeiten versammelten sich die Beginen üblicherweise am langen Tisch im Refektorium des Haupthauses, und gewöhnlich nahmen sie ihr Essen schweigend zu sich und lauschten der erbaulichen Lesung, für die reihum jede einmal verpflichtet war. An diesem Sonntagabend hatte sich die Edle von Bilk bereitgefunden, diese Aufgabe zu übernehmen, und Almut lauschte zufrieden ihrer ruhigen, melodiösen Stimme. Sie las aus einem Psalter, und die lateinische Sprache hörte sich aus ihrem Munde weit klangvoller und poetischer an als die der Priester in der Kirche. Das mochte daran liegen, dachte sie, dass die edle Frau, wie sie ihnen berichtet hatte, von einer fränkischen Amme großgezogen worden war und diese Zunge als Kind gesprochen hatte. Auch ihre Kenntnis der spanischen Sprache mochte ihren Worten den schönen, bestrickenden Klang verleihen. Überhaupt, die Witwe war eine sympathische Person, und bisher hatten sich noch alle freundlich über sie geäußert. Bei den Arbeiten in der Kapelle hatte sie offenherzig über ihr Leben geplaudert, und so wusste Almut, dass sie vor zwölf Jahren den Ritter von Bilk getroffen hat, der von seiner Pilgerfahrt nach Santiago zurückreiste. Beide schlossen schon nach kurzer Zeit die Ehe. Es musste von Anfang an eine innige Verbundenheit zwischen ihnen bestanden haben, das hörte man aus den Zwischentönen heraus. Doch lange war dem Paar das Glück nicht hold gewesen. Schon zwei Jahre später war der Recke bei einem Unfall ums Leben gekommen. Vom Pferd war er gestürzt, so unglücklich, dass er in einem kleinen Bächlein ertrunken war. Er ließ die Witwe trostlos, aber mit einer reichen Erbschaft zurück. Um seiner zu gedenken, war die Edle dann ebenfalls nach Santiago de Compostela aufgebrochen, um am Grab des heiligen Jakobus für die Seele ihres geliebten Gatten zu bitten. Das Leben in Galizien gefiel ihr, und so blieb sie einige Jahre dort, bis das Heimweh sie wieder ins Rheinland trieb.
    Almut nahm sich noch eine Portion von dem Rübstiel mit Speck und brach sich ein Stück Brot ab. Gertrud hatte Rebhühner vom Adlerwirt unter der Hand bekommen, aber selbst Magda fragte nicht so genau nach der Herkunft, denn Wilderei war ein schweres Verbrechen. Doch das Geflügel war köstlich gewesen. Da Almuts Magen in den vergangenen Tagen vor Sorge rebelliert hatte, war sie jetzt, nachdem sich ein heller Streif am Horizont zeigte, hungrig geworden.
    Theodoricus hatte ihren Vorschlägen gelauscht und sie wohlwollend aufgenommen. Ihm lag genau wie ihr daran, den starrköpfigen Pater wieder aus seiner Verbitterung zu holen und ihm nicht noch weitere Bande anzulegen. Er hatte ihr erklärt, dass er schon selbst zu einer Lösung gelangt war. Das Gelübde, sein Leben als Incluse zu verbringen, könne er dem Pater nicht abnehmen, erklärte er, denn ein Gelübde war nur gültig, wenn das gelobte Tun sittlich sei und nicht etwas Besseres verhindere. Da Ivo in selbstzerstörerischer Absicht handelte, wollte er es ihm verweigern. Nicht aber die Einmauerung, und hier neigte der Abt mit großem Interesse sein Ohr der Baumeistertochter zu.

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