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Das brennende Gewand

Das brennende Gewand

Titel: Das brennende Gewand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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in der Dämmerung in Almuts Zimmer verirrt hatte und im Blütenkelch einer Rose eingenickt war. Sie begann zu summen und umkreiste die still Betende.
    Warum auch immer, plötzlich schöpfte Almut wieder Hoffnung.
    »Die Wege des Herrn sind unergründlich, meinst du, Maria?«
    Die Biene machte es sich auf Mariens Schoß gemütlich, und das Kerzenflämmchen erstarb.
    Was blieb, war der süße Duft von Rosen und Ginster, ein Versprechen von Liebe und Erlösung von den Sünden.

16. Kapitel
    »Ehrwürdiger Vater, ich habe gesündigt, ich bereue und verspreche, künftighin nicht mehr zu sündigen. Ich bitte dich, mir Buße aufzuerlegen.«
    Pater Ivo lag auf Knien vor Theodoricus und hoffte auf dessen Antwort.
    Sie ließ auf sich warten.
    Schließlich bahnte sich ein abgrundtiefes Seufzen seinen Weg durch die geistliche Brust.
    »Was soll ich bloß mit dir anfangen, Ivo? Von deinen eigenen Gewissensqualen kann ich dich nicht freisprechen, und eine Absolution durch Jesus Christus hat für dich keine Bedeutung.«
    »Ich habe dich nicht um Absolution gebeten, sondern um eine Buße«, knurrte der Pater, dessen demütige Haltung unter dem harschen Ton etwas litt.
    »Was schlägst du vor? Hundert Paternoster? Eine Pilgerreise ins Gelobte Land? Eine Dornenkrone und ein härenes Büßerhemd?«
    »Mauert mich ein.«
    Theodoricus starrte den vor ihm Knienden vollkommen sprachlos an. Er hatte mit allem gerechnet, nicht damit. Aber nach kurzer Überlegung erkannte er den Hintergrund zu Pater Ivos Gedankengang. Seine Antwort war kurz und bündig.
    »Nein.«
    »Ich bitte darum, ehrwürdiger Vater. Ich habe mich gegen den Orden versündigt, und ich werde mein Versprechen nur halten können, wenn ich mich der Welt vollends entziehe.«
    »Das stellst du dir so vor, mein Sohn. Aber Sünden begeht man auch in Gedanken. Vor denen jedoch schützen dich auch die Mauern nicht.«
    »Aber ich verderbe keine anderen mehr dadurch.«
    »Du hast Verpflichtungen in der Welt.«
    »Sie sind ohne Bedeutung.«
    »Dein Vater bedeutet dir nichts?«
    »Mein Vater hat nicht mehr lange zu leben.«
    »Deine Begine hat versucht, dich zu sprechen.«
    »Sie ist nicht meine Begine.«
    »Du hattest vor, sie zu deinem Weib zu machen, Ivo. Zählt das alles nicht mehr für dich?«
    »Es war falsch. Ich bin nicht frei, und ich werde es nie sein.«
    Der Abt erhob sich mit einem Schnaufen aus seinem Sessel und ging zur Tür. Mit einem Ruck riss er sie auf und spähte in den leeren Gang. Dann schloss er sie wieder.
    Mit gedämpfter Stimme sagte er: »Hör mir gut zu, du verdammter Sturkopf. Dein Vater hat genügend Beziehungen zu allen Städten der Hanse. Meinetwegen spiele ich die Farce mit, dich öffentlich einmauern zu lassen, aber am selben Tag verschwindest du mit Frau Almut oder ohne sie aus der Stadt.«
    »Nein.«
    »Ich stehe in Kontakt mit den Äbten verschiedener Klöster. Wenn du Köln verlassen willst...«
    »Nein.«
    »Willst du exkommuniziert werden? Der weltlichen Gerichtsbarkeit übergeben werden und deine Unschuld beweisen?«
    »Nein.«
    »Ivo, du bist starrsinnig wie ein Esel mit Koliken. Du verlangst etwas von mir, das ich nicht dulden kann.«
    »Du kannst. Ich werde das Gelübde ablegen, als Incluse zu leben. Das ist mein einziges Zugeständnis.«
    »Als Incluse.« Theodoricus schüttelte ungläubig den Kopf. »Du hast dir das in den vergangenen zwei Tagen gründlich überlegt, nehme ich an.«
    »Ja.«
    »Ich werde darüber nachdenken. Bis morgen nach der Sext. Dann entscheide ich.«
    »Ja, Vater Abt.«
    »Du wirst gehorsam sein!«
    »Ja, Vater Abt,«
    »Du wirst nicht fasten!«
    »Nein... Vater Abt.«
    »Ivo! Glaubst du ernsthaft, ich wüsste nicht, was du vorhast?«
    »Nein, Vater Abt.«
    »Du wirst essen und trinken, was man dir bringt.«
    »Ja, Vater Abt.«
    »Und du wirst es bei dir behalten! Dies ist ein Befehl, mein Sohn.«
    »Ja, Vater Abt.«
    »Du bist entlassen. Begib dich in deine Zelle und warte, bis ich dich rufen lasse.«
    »Danke, Vater Abt.«
     
    Der Abt blieb eine lange Zeit regungslos in seinem Sessel sitzen. Nicht einmal zur Terz begab er sich in die Klosterkirche. Aber als die Messe beendet war, schickte er einen Boten zu der Meisterin der Beginen und bat sie und Almut zu sich.

17. Kapitel
    Das junge Mädchen auf dem Strohlager der Scheune, in der sie sich versteckt hatte, als sie bemerkte, dass ihre Zeit gekommen war, stöhnte noch einmal auf. Mit der letzten Wehe verließ das leblose Geschöpf ihren mageren Leib, und die Wehmutter

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