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Das brennende Gewand

Das brennende Gewand

Titel: Das brennende Gewand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Bilder vorgaukeln kann.«
    »Ja, so sagt man. Aber er fürchtete sich vor diesen teuflischen Mächten und hat sich sogar einmal in die Sakristei geschlichen, um geweihte Hostien zu klauen. Außerdem trug er ein vergoldetes Amulett, das er ständig gestreichelt hat. Aber wenn einer der Mönche vorbeischaute, hat er es immer ganz schnell unter dem Wams versteckt.«
    »Abergläubisch.«
    »Ja, sogar sehr. Er hatte Angst vor Geistern.«
    Almut notierte dies für sich und ließ es auf sich beruhen.
    »Woher stammte er?«
    »Er sagt, aus Nürnberg. Ob es stimmt, weiß ich nicht. Jedenfalls war seine Sprache ein wenig anders, als sie hier gesprochen wird.«
    »Aus Nürnberg.« Ein kleines Lichtlein funkelte in ihrer Erinnerung auf. »Dort, wo man die Flinderlein herstellt.«
    »Ja, ganz genau. Er hat mir diese Plättchen gezeigt und stolz erläutert, wie man das minderwertige Metall vergoldet. Woher wisst Ihr von diesem Putz, Frau Almut? Ihr tragt doch nur das graue Gewand der Beginen.«
    »Aber meine Stiefmutter nicht. Sie hatte Flinderlein an ihrer Jacke. Und die Adlerwirtin hat welche von einem Gast erhalten.«
    Mit großen Augen sah Bertram sie an.
    »Ihr seid einer Sache auf die Spur gekommen?«
    »Es sieht beinahe so aus, Bertram. Eine ganz andere Frage, mein junger Freund: Kannst du dich erinnern, was du dem Thomas von deinem Oheim erzählt hast?«
    Betreten rang der Junge plötzlich seine Hände, denn offensichtlich war auch ihm gerade eben ein Licht aufgegangen.
    »Ich habe ihm davon erzählt, dass ich das Schnitzen von ihm gelernt habe. Und dass er umgekommen ist. Heiliger Joseph! Frau Almut, glaubt Ihr, er hat etwas damit zu tun, dass meine Mutter misstrauisch geworden ist?«
    »Es gibt Zusammenhänge, ohne Zweifel. Aber wie die Fäden verknüpft sind, darüber muss ich jetzt nachdenken. Bertram, du warst mir eine große Hilfe. Wenn dir noch etwas einfällt, dann vertraue es bitte dem Vater Abt an.«
    Überaus nachdenklich verließ Almut, als die Glocken die Mönche zur Andacht riefen, das Kloster. Es gab also jemanden, der Flinderlein hergestellt hatte, und einen anderen, der sie verteilt hatte. Der dunkle Mann hatte sich als Freund des Toten ausgegeben, das mochte also stimmen. Dann war der Vergolder auch die Quelle, aus der er sein Wissen über Ivo geschöpft hat, weshalb das Brevier in der Braustube kein Zufall war, sondern mit Absicht dorthin gebracht worden war, um den Verdacht auf den Herrn vom Spiegel zu lenken. Auch die Geschichte von Claas’ Tod war aus diesem Brunnen gesprudelt. Blieb zu spekulieren, warum der Vergolder sterben musste, obwohl er ein solcher Born des Wissens war.
    Das aber würde sie später tun, denn sie kam gerade noch rechtzeitig, um sich mit den anderen Beginen zum Mittagsmahl zusammenzusetzen.
     
    Mit Claras Gesundheit war es in den vergangenen Tagen aufwärtsgegangen, und sie hatte darauf bestanden, den Mädchen wieder Unterricht zu erteilen. Doch am Nachmittag zog sie sich erschöpft in ihre Kammer zurück, und als Almut bei ihr vorbeischaute, lag sie mit geschlossenen Augen auf ihrem Bett. Sie schlief allerdings nicht und flüsterte mit schwacher Stimme: »Komm nachher noch mal zu mir, Almut. Ich habe etwas für dich.«
    »Gerne. Reicht der Vorrat von der Salbe noch, die Meister Krudener für dich gemischt hat?«
    »Ja. Du kannst mir nachher helfen. Aber jetzt brauche ich eine Weile Ruhe.«
    »Schon gut. Ich werde den Boden der Kapelle wachsen.«
    Die eintönige, kräftezehrende Arbeit, die sie auf den Knien durchführte, lenkte sie von den zahlreichen Vermutungen ab, die sich in ihrem Kopf formieren wollten. Aber aus Erfahrung wusste sie, dass es besser war, wenn sie sie sich eine Weile setzen ließ. Als sie die Hälfte des Bodens bearbeitet hatte, gesellte sich wortlos die Edle von Bilk zu ihr und rieb ebenfalls mit Eifer Bienenwachs in die geglätteten Bohlen. Irgendwann aber fragte sie: »Euch geht es heute wieder besser?«
    »Ja, danke. Ich habe wohl nur zu gierig gegessen. An Gertruds Speisen lag es gewiss nicht.«
    An den grausigen Fund vom Vortag wollte sie nicht erinnert werden und hatte sich nach Kräften bemüht, sich abzulenken. Ihre Sorge um Pater Ivo und die vielen neuen Erkenntnisse boten sich an, das Ereignis verblassen zu lassen, und nun glaubte sie selbst beinahe an eine böse Einbildung. Um nicht weiter ins Grübeln zu geraten, begann sie ein Gespräch mit der Edelfrau.
    »Sagt Euch denn das arbeitsame Beginenleben zu, edle Frau?«
    »Ich bin sehr angetan

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