Das brennende Gewand
Zwei waren ältere Handelsherren, der dritte hingegen war ein junger Mann. Schwarz seine knielange Heuke, schwarz seine Stiefel, schwarz sein gelocktes Haar, das unbedeckt bis über seine Schultern fiel, dunkel und bartlos jedoch sein Gesicht. Als er sich nun von seinen Bekannten verabschiedete und sich in Richtung der Beginen wandte, tat er es mit den geschmeidigen Bewegungen eines schönen, schwarzen Katers.
»Ihn habe ich gesucht!«, frohlockte Almut, und Clara gluckste.
»Das tut gewisslich jedes Weib. Aber hast du nicht noch vor Kurzem einem anderen Mann deine Liebe geschenkt?«
»Seinem Vater. Darum habe ich ihn ja gesucht.«
Clara blieb abrupt stehen. »Wie bitte?«
Doch Almut ging spornstreichs dem dunklen Herrn entgegen und sprach ihn an: »Leon de Lambrays?«
Er hielt inne, seine grauen Augen schauten sie kurz und fragend an, dann spielte ein Lächeln um seine Lippen, und er neigte mit höfischer Eleganz sein Haupt.
»Frau Begine. Welche Freude, Euch wohl und gesund anzutreffen.«
Eine leichte Röte überzog Almuts Wangen, denn bei der letzten Begegnung hatte sie nur in ihre langen Haare gehüllt an der Bahre seines Bruders gestanden, um sich dem Gottesurteil zu unterziehen. Doch sie vertraute darauf, dass Ivos Sohn den Anstand besaß, diesen Vorfall zu vergessen. Darum zeigte sie sich ebenfalls freundlich und begrüßte ihn mit den Worten: »Ich bin gleichermaßen froh, Euch in unserer Stadt zu begegnen. Ihr seid in Geschäften hier?«
»Wein aus Burgund bringe ich, und feine Tuche werde ich mit zurücknehmen.«
»Werdet Ihr noch einige Tage in Köln weilen, oder zwingen Euch die Geschäfte, bald zurückzukehren?«
»Bis Pfingsten, denke ich, werde ich meinen Handel abgewickelt haben. Warum? Möchte Euer Konvent schweren roten Wein erstehen? Ich kann Euch versichern, der unsere ist nicht gepanscht.«
Ei wei, dachte Almut. Er erinnert sich also doch. Aber sie setzte eine unverbindliche Miene auf und nickte. »Unsere Meisterin könnte durchaus Interesse daran haben. Wäre es Euch genehm, unser Heim aufzusuchen?«
»Es wäre mir ein Vergnügen, Frau Begine. Doch verzeiht, ich habe Euren Namen vergessen, Ihr aber erinnert Euch an den meinen.«
»Mich ruft man Almut und meine Begleiterin Frau Clara.«
Wieder kamen sie in den Genuss einer äußerst anmutigen Verbeugung, und gleich darauf einigte man sich auf einen Besuch am Eigelstein zur neunten Stunde. Dann verabschiedeten sie sich und gingen ihrer Wege, Clara und Almut weiter die schnurgerade Straße ›Unter Guldenwaagen‹ bis zur Kirche des Laurentius.
»Du bist mir eine Erklärung schuldig, Almut! Wieso lädst du den Weinhändler ein? Woher willst du wissen, ob Magda seinen Roten kaufen möchte?«
»Ich weiß es auch nicht, aber ich möchte mit ihm über das, was ich mit ihm zu bereden habe, nicht auf offener Straße sprechen.«
»Über seinen Vater?«
»Über ebenden. Und nun wollen wir zu dem Heiligen um Heilung und Fürbitte für unsere armen Seelen beten.«
Es erquickte Almut zwar lange nicht so sehr wie eine Zwiesprache mit Maria, aber nachdem sie die Kirche verlassen hatten, waren ihre Gedanken gesammelt und ihr Vorgehen Leon gegenüber einigermaßen durchdacht.
Als die Glocken zur Non läuteten, traf der Weinhändler pünktlich an der Pforte des Beginen-Konvents ein und versetzte die Bewohnerinnen in kaum zu unterdrückende Bewunderung. Almut hingegen begegnete ihm nüchtern und gelassen und stellte ihn der Meisterin vor. Auch sie bewahrte, außer einem anerkennenden Aufblitzen in ihren Augen, Fassung und begrüßte den jungen Mann eher förmlich.
»Herr de Lambrays, Ihr werdet verzeihen, dass wir Euch unter Vorspiegelung falscher Tatsachen zu uns gelockt haben. Doch es gibt eine weit wichtigere Angelegenheit, mit der wir uns befassen müssen, als mit Eurem sicher vorzüglichen Wein. Ich überlasse Euch und Frau Almut für eine Weile meine Räume, damit sie Euch ungestört über die Vorfälle in Kenntnis setzen kann, die sowohl Euch betreffen als auch ihr große Sorge bereiten.«
Leon nickte und nahm mit einer gewissen Zurückhaltung auf der Bank am Fenster Platz. Magda rauschte aus der Stube, und Almut setzte sich an ihren Tisch mit dem Schreibpult, an dem die Meisterin gewöhnlich ihre Abrechnungen machte. Sie hielt sich nicht mit langer Vorrede auf, sondern begann: »Herr de Lambrays, als Erstes solltet Ihr erfahren, dass mir bekannt ist, wer Euer Vater ist.«
Die beiden schwarzen Brauen bildeten prompt genau
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