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Das brennende Gewand

Das brennende Gewand

Titel: Das brennende Gewand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Schnitzmesser ab und lächelte sie an. Doch dann wurde sein Gesicht ernst.
    »Frau Almut, es ist so schrecklich. Und meine Mutter trägt große Schuld daran.«
    »Das tut sie, nicht aber du, Bertram. Aber sag, weißt du, warum sie die Anschuldigung erhoben hat?«
    »Nicht genau. Sie war nur fürchterlich aufgebracht, weil ihr jemand erzählt hat, das mit dem Claas, also da sei etwas nicht mit rechten Dingen zugegangen.«
    »Wer hat ihr das erzählt?«
    »Sie behauptet, ein Mönch.«
    »Holla!«
    »In einer braunen Kutte.«
    »Aber sie weiß nicht, aus welchem Kloster, oder gar seinen Namen?«
    »Ich denke, selbst wenn er ihr das genannt hatte, war sie viel zu fahrig, es sich zu merken. Sie hat sich damals entsetzlich aufgeregt. Ihr Bruder war doch ihr ein und alles.«
    »Ich werde versuchen, mit ihr zu reden.«
    »Tut es nicht, Frau Almut. Sie ist nicht gut auf Euch zu sprechen.«
    Das hatte Almut auch schon gemerkt. Die Pastetenbäckerin war zwar nicht offen feindselig, doch sehr zurückhaltend in der letzten Zeit gewesen. »Warum?«, fragte sie, obwohl sie die Antwort schon fast kannte.
    »Weil Ihr mit Pater Ivo befreundet seid. Sie glaubt, ihr wüsstet ebenso von seinem Vergehen und deckt ihn. Sie ist nicht immer sehr klug, meine Mutter.«
    »Mhm. Lassen wir das auf sich beruhen. Bertram, du hast etliche Tage mit Thomas zusammengearbeitet. Was für ein Mensch war er?«
    Bertrams betrübter Blick wurde schelmisch. Er stand auf und kramte auf dem Bord nach etwas. Dann legte er seiner Besucherin einen faustgroßen Holzkopf in die Hände. Mit größter Hochachtung drehte und wendete Almut das Kunstwerk hin und her. Bertram hatte das seltene Talent, das Wesen eines jeden Lebewesens einzufangen. Hier erkannte sie einen Mann, dem eine unbestimmte Gier aus den Augen schaute, eine hintergründige Gerissenheit, die er gewissenlos einsetzen würde, um zu erhalten, was er anstrebte, doch auch einen willensschwachen Zug um die Lippen, der von Verführbarkeit sprach. Die Tränensäcke unter den Augen deuteten auf unmäßigen Genuss hin, das zerrissene Ohr schaute unter einer eng anliegenden Kappe hervor.
    »Seine Arbeit hat er gut gemacht?«
    »Soweit ich es beurteilen kann, ja, Frau Almut. Auch wenn man ihn aus der Zunft ausgeschlossen hat, so verstand er doch sein Handwerk. Vermutlich zu gut, wenn ich es mir recht überlege.«
    »Will sagen?«
    »Schaut, wer geschickt mit Blattgold umgehen kann, könnte auch schon mal der Versuchung erliegen, Unedles zu veredeln, nicht wahr?«
    Almut dachte an ihre Marienstatue. Sie hatte die Bronzefigur im Schutt unter dem alten Stall gefunden, und Pater Ivo hatte ihr später erklärt, es sei eine uralte Darstellung einer Göttin, die die Heiden, die einst Köln bewohnt hatten, verehrten. Doch sie sah so sehr wie die Muttergottes aus, denn sie hielt ein Kind auf ihrem Schoß, und über ihrem Haupt schwebte ein seltsamer Heiligenschein zwischen zwei schlanken Hörnern. Sie hatte keinen Augenblick gezögert, zu ihr als der sanften Maria zu beten, die ihr von Kindheit an vertraut war. Es mochte an dem wunderbar wechselnden Mienenspiel liegen, das sich immer dann änderte, wenn die Sicht des Betrachters oder das Licht wechselte. Pater Ivo hatte ihr zugestimmt, dass sie eine wunderbare Verkörperung der himmlischen Königin sei, und sie eigenhändig geweiht. Doch dann war sie mutwillig zerstört worden. Ein Freund von Meister Krudener, Rebbe Goldfarb, hatte sie wieder repariert und sie mit einem dünnen Goldüberzug versehen.
    »Fälschungen mögen ein Grund für das Schlitzohr gewesen sein. Die Zünfte sehen es überhaupt nicht gerne, wenn ihre Leute sich auf den unrechten Pfad begeben«, bestätigte Almut Bertrams Einschätzung. »Ein Säufer war er auch?«
    »Ja, er war ein Säufer, doch nicht bei der Arbeit. Aber sowie er sein Tagwerk getan hatte, mussten Bier und Wein her. Hier hat er auch gesoffen, aber oft ist er auch in die Tavernen gegangen, glaube ich.«
    »In den Adler auf jeden Fall, denn dort hat er ja sein Ende gefunden.«
    »Wenn er trunken war, hat er manchmal komisches Zeugs geschwafelt, Frau Almut. Ich weiß nicht, ob’s Euch hilft, aber ich will mich versuchen zu erinnern.«
    »Nur zu, wir werden ja sehen.«
    »Also, er hat oft von einer hohen Frau gesprochen, der er zu dienen geschworen hat. Erst dachte ich, er meinte eine Heilige oder so. Aber dann hat er von Dämonen gesprochen, die in bunten Lichtern tanzten.«
    »Ich hörte sagen, dass tiefer Rausch einem Menschen solche

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