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Das brennende Gewand

Das brennende Gewand

Titel: Das brennende Gewand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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misericordiae... Sei gegrüßt, o Königin, Mutter der Barmherzigkeit, unser Leben, unsere Wonne und unsere Hoffnung, sei gegrüßt«, flüsterte er und betrachtete die Statue, die die Begine ihm in die Klause gestellt hatte. Da er wusste, wie sehr sie an dieser kleinen Figur hing, konnte er sich selbst mit strengster Gewalt nicht vor dem Gefühl verschließen, das sie in ihm auslöste. Sie hatte ein Opfer gebracht, für ihn. So wie er ein Opfer für sie bringen wollte. Darum begann der Priester mit der hornhäutigen Seele zu Maria, der Barmherzigen, zu beten.
    »Sie glaubt noch an Errettung, himmlische Herrin, und sie weiß nicht, welche Gefahr ihr droht. Die Hölle hat ihre Pforten geöffnet und Geschmeiß ausgespien. Sie werden sie aufspüren und sie peinigen, wie sie auch mich peinigen. Warum, verdammt, Maria, bin ich nach Köln zurückgekehrt? Warum habe ich mich von meiner Eitelkeit und Hoffart leiten lassen zu glauben, hier wieder an alte Bande anknüpfen zu können? Ich habe Freunde gefunden, die nun meinetwegen leiden.«
    Er betrachtete in dem silbrigen Zwielicht, das der abnehmende Mond hinter seinem Wolkenschleier auf den Altar fallen ließ, das fein geformte Gesicht der Himmelskönigin, und es schien ihm, als läge ein tiefes Verständnis für alle Kreatur darin. Sogar für eine solche Kreatur wie ihn.
    Freunde - Georg Krudener und der Abt Theodoricus bedeuteten ihm viel. Und beide hatten viel für ihn getan. Theo hatte sogar angeboten, ihm bei der Flucht zu helfen, und würde selbst dabei gegen die Gesetze des Ordens und der Kirche verstoßen. »Er billigte meine Absicht zu sterben nicht«, unterbreitete er der schmerzensreichen Mutter. »Er hat mir nicht die Möglichkeit gegeben, mein Gelöbnis abzulegen. Er ist einfach darüber hinweggegangen. Er hat nur die vorgeschriebenen Fragen zur Einschließung gestellt, dann hat er mir die Regeln übergeben. Ich hätte das Gelübde...« Marias Gesicht leuchtete heller auf, denn der Wind hatte den Wolkenschleier vom Antlitz des Mondes fortgezogen. Kopfschüttelnd seufzte Pater Ivo. »Ja, ich verstehe es. Auch er hat noch Hoffnung und wollte mich nicht fester binden als notwendig«, flüsterte er. »Er denkt, ich werde irgendwann den Wunsch haben, wieder in die Welt zurückzukehren. Wie wenig er weiß. Schon deshalb, weil er mein Freund ist, werden sie versuchen, ihn zu vernichten. Schütze, Königin des Himmels, meine Brüder, schütze meine Freunde, Herrin der Welt, schütze meinen Vater, Tochter Gottes, und - oh mein Gott, Maria - beschütze die Begine. Ad te clamamus, exsules filii Hevae.«
    Und Maria, die den Ruf eines der verbannten Kinder Evas erhörte, schenkte ihm Frieden. Den Rest der Nacht verbrachte Pater Ivo mit dem lautlosen Rezitieren der Psalmen und Litaneien, die ihm für so viele Jahre Last waren. Nun aber halfen ihm die eintönigen Wiederholungen, seinen Geist zu beruhigen und die Angst zu betäuben.
    Doch schon am nächsten Tag wurde die Wunde wieder aufgerissen, heftiger und schmerzhafter als zuvor.

23. Kapitel
    Leon de Lambrays berichtete Almut auf ihrem Weg zu Aziza, dass er am Abend zuvor noch bei Gauwin vom Spiegel vorgesprochen und freundlich Aufnahme gefunden hatte.
    »Er ist gebrechlich, Frau Almut, doch sein Geist ist klar und scharf wie ein Messer.«
    »Ich bete für ihn und hoffe, dass er wieder zu Kräften kommt. Neue Zuversicht bewirkt oft Heilung.«
    So, wie sie es bei Clara getan hatte, dachte sie. Aber Gauwin vom Spiegel war alt, weit über achtzig Jahre hatte er gelebt, und seine Jugend würde er nie wieder zurückerhalten.
    Sie erreichten das Häuschen an der alten Stadtmauer, und verwundert stellte Almut fest, dass die Tür einen Spalt offen stand. Ihre Schwester war alles andere als leichtsinnig, und ihr Heim beherbergte eine ganze Reihe von Kostbarkeiten. Sie klopfte dennoch an, und als sie keine Antwort erhielt, stieß sie die Tür einfach auf.
    Ein schrecklicher Anblick bot sich ihr.
    Die Bänke waren umgeworfen, die Messingteller und Kannen von den Borden gefegt, der halbfertige Teppich aus seinem Rahmen gerissen, die bunten Garnnocken aus dem Korb gerollt. Überall auf dem Boden waren Goldmünzen verstreut, und zertretene Rosen verströmten sterbend ihren Duft.
    Inmitten diesem Bild der Zerstörung kniete Aziza und bemühte sich aufzustehen. Ihr rotes Kleid war zerrissen und beschmutzt, aus ihrem langen Zopf hatten sich Strähnen gelöst, ihre Hände waren schwarz von Ruß, ihre Lippe geschwollen und blutig, und um ihr

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