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Das brennende Gewand

Das brennende Gewand

Titel: Das brennende Gewand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Wert?«
    »Es ist ein einzigartiges Kunstwerk«, bestätigte Almut.
    »Der Vergolder arbeitete im Kloster, in dem auch mein Vater wohnte. Wie Ihr sagtet, gab es einen Streit zwischen den beiden, weil er diesen Thomas in seiner Zelle vorgefunden hat. Was, wenn er sich da hineinbegab, weil Roderich ihn beauftragt hat, das Brevier zu stehlen und es ihm im Adler zu übergeben?«
    »Dort hat Thomas sich geweigert, es ihm auszuhändigen, weil Roderich ihm nicht den gewünschten Lohn dafür zahlen wollte oder hat im Gegenzug versucht, ihn zu erpressen. Weshalb er ein schnelles Ende im Braukessel fand. Dabei ist ihm unbemerkt das Brevier aus der Tasche gefallen.«
    Leon nickte. »Um den Verdacht von sich abzulenken, schreit Roderich kurz darauf Zeter und Mordio und beschuldigt meinen Vater, der Mörder zu sein.«
    »Und da dein Ivo sich weiteren Befragungen entzogen hat, fand Roderich es an der Zeit, die Stadt zu verlassen, bevor jemand diesen Schluss zu ziehen in der Lage war«, fügte Aziza hinzu.
    »Schön und gut, so ähnlich hätte es sein können, wäre da nicht noch das verschlüsselte Pergament, das Pitter bei dem Toten gefunden hat.«
    »Ein Mosaiksteinchen, für das wir so lange keinen Platz finden, wie nicht bekannt ist, was der Text bedeutet.«
    »Richtig, Leon. Clara, Ihr habt sie gestern kennengelernt, arbeitet daran und hat auch schon eine Methode entdeckt, das Rätsel zu lösen. Doch es bedarf des Fleißes und der Geduld, den richtigen Schlüssel zu finden.«
    »Dann wollen wir abwarten und sehen, was wir in der Zwischenzeit herausfinden können. Ich kenne mich mit dem Geschäft des Vergoldens nicht aus. Dennoch würden wir mehr über Roderich von Kastell herausfinden, wenn wir uns sein zweifelhaftes Geschäft näher anschauten.«
    Ein fleißiges Bienchen brummelte durch die Hintertür und ließ sich auf dem Honigtopf nieder. Almut schaute geistesabwesend zu, wie sich der braungelbe Leib über den goldenen Inhalt neigte, und wie von ungefähr musste sie an die goldene Statue denken, die nun in der Klause über die hornhäutige Seele ihres Paters wachte.
    »Rebbe Goldfarb!«, formte ihre Zunge schneller, als ihr Verstand es gewahr wurde. Dann wiederholte sie noch einmal zufrieden: »Rebbe Goldfarb. Aziza, du solltest dich ausruhen. Du hast eine schreckliche Nacht hinter dir und Schmerzen. Aber Ihr, Leon, begleitet mich zu einem guten Bekannten, der uns über die Kunst aufklären wird, wie man unedles Metall zu Gold macht. Dürfen wir eine von diesen Münzen mitnehmen, Schwester?«
    »Alle, wenn du willst. Sie sind kaum einen Bettel wert.«
    Almut half Aziza noch, sich zu Bett zu legen, dann brach sie mit Leon zum Judenviertel auf, das hinter dem Rathaus begann.
     
    Eine eigene Schutzmauer mit festen Holztoren umschloss das Quartier, in dem die Juden lebten und ihren Geschäften nachgingen. Sie dienten zu ihrer Sicherheit, nicht um sie einzusperren. Almut erzählte ihrem Begleiter, dass just in ihrem Geburtsjahr die Kölner das Viertel überfallen hatten, weil sie den Juden die Schuld am Ausbruch der Pest gegeben hatten. Viele waren umgebracht worden, andere geflohen. Den Stadtvätern war das insgeheim wohl ganz recht gewesen, auch wenn sie das öffentlich nie zugegeben hätten. Denn erst nach und nach hatten sie wieder einigen vermögenden Händlern erlaubt, sich unter ihrem Schutz in dem Getto anzusiedeln. Aber auch heute noch kam es dann und wann zu neuen Repressalien.
    »Nicht nur in Köln, Frau Almut, leiden die Juden darunter. In anderen Städten müssen sie gelbe Abzeichen an den Kleidern tragen oder Fransen an den Mänteln oder besonders geformte Hüte, damit ein jeder sie sofort erkennt.«
    »Hier ist es den Männern lediglich untersagt, ihren Bart zu schneiden. Aber vor zwei Jahren wurden zwei von ihnen von unserem Erzbischof gefangen genommen, obwohl der Rat der Stadt sie unter ihren Schutz gestellt hat. Es hat sich daraus ein fürchterlicher Zank zwischen den Schöffen und dem Rat entwickelt.«
    Leon nickte und sah sich dann in der eng bebauten Gasse um.
    »Wisst Ihr, wie wir in diesem Gewirr den Rebbe finden, Frau Almut?«
    »Nein, aber ich habe einen Mund, den ich zum Fragen benutzen kann.«
    »Frauen sind so praktisch veranlagt«, murmelte ihr Begleiter.
    »›Des Gerechten Zunge ist kostbares Silber; aber der Gottlosen Verstand ist wie nichts.‹«
    Leon schnaubte, und Almut wandte sich an einen kleinen Jungen, der ihnen mit einem zahnlückigen Lächeln den Weg zum Haus des Rebbe wies. Als sie

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