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Das brennende Gewand

Das brennende Gewand

Titel: Das brennende Gewand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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rechtes Auge bildete sich ein blauer Fleck.
    Almut zögerte keinen Wimpernschlag lang. Sie trat auf ihre Schwester zu, half ihr aufzustehen und hielt sie fest an sich gedrückt. Kein Laut der Klage, kein Wimmern, kein Schluchzen kam von ihr, aber sie zitterte am ganzen Leib und klammerte sich fest an die Begine.
    Aus den Augenwinkeln beobachtete Almut, wie Leon leise und gewandt die Münzen aufsammelte, die Bänke aufstellte und die Rosenblätter in den Kamin warf. Sie nickte beifällig, streichelte dann aber weiter Azizas Rücken, bis das Zittern allmählich nachließ. Leon hatte sich inzwischen umgesehen und den Hinterausgang gefunden. Er kehrte mit einem Eimer voll Wasser zurück und machte sich dann am Kamin zu schaffen.
    »Ich bin eine Törin gewesen, Almut«, wisperte Aziza.
    »Vielleicht. Er hat dir Gewalt angetan?«
    »Ja, das auch. Ich schäme mich so.«
    »Wo ist deine Bedienerin?«
    »Weggelaufen.«
    »Komm, du musst die Kleider wechseln und dich waschen. Ich helfe dir nach oben.«
    »Danke.«
    Almut stützte sie, als sie gemeinsam die steile Treppe erklommen, und schweigend folgte ihnen Leon mit dem Wassereimer. Er stellte ihn ab und ließ sie alleine.
    Vorsichtig zog Almut ihrer Schwester das Gewand aus und half ihr, sich zu reinigen. Dabei begutachtete sie die Prellungen an den Rippen und die Abschürfungen an den Knien.
    »Hast du eine Salbe?«
    »Ja, in dem Kästchen dort.«
    Ein feiner Blüten- und Minzduft entströmte der weichen Paste, die sie auf die wunden Stellen auftrugen, und schließlich bürstete Almut ihr das lange, zerzauste Haar sorgfältig aus, bis es wieder in glänzenden Wellen über ihren Rücken fiel. In einem einfachen blauen Leinenkleid trat Aziza schließlich aus ihrer Schlafkammer und begab sich nach unten.
    Die Stube war gekehrt, Teller und Krüge standen wieder auf den Borden, im Kamin brannte ein Feuer, auf dem Tisch warteten ein Korb mit weißem Brot und Töpfe mit Butter und Honig auf sie. Leon sah ihnen entgegen und verbeugte sich nun auch vor Aziza.
    »Ich hätte der schönsten Blume des Morgenlands schon viel früher meine Aufwartung machen sollen«, sagte er und nahm ihre beiden Hände in die seinen. Unglücklich sah Aziza zu ihm auf.
    »Die Blume ist welk und gebrochen.«
    »Aber nein, wohledle Dame. Kleine Wunden können Euren Liebreiz nicht mindern, sie werden schon bald verblasst sein. Doch auch Euer Herz, Euer Geist und Eure Seele sind verletzt. Wollt Ihr Euch uns anvertrauen, Euer Lieblichkeit?«
    Er führte sie zum Tisch, und zu dritt nahmen sie Platz.
    »Ja, erzähle uns, Schwester, was geschehen ist. Hat er dein Herz gebrochen?«
    »Mein Herz ist biegsam, der Schmerz wird abklingen, aber meine Seele hat er gedemütigt und meinen Geist beleidigt. Und das vergebe ich nicht.«
    Ein klein wenig von ihrem Feuer war zurückgekehrt, und das Messer, das durch das weiche Brot fuhr, hätte auch die Kehle des Verführers durchschneiden können.
    »Sein Name ist Roderich von Kastell. Er hat die Stadt verlassen. Mit einem Gutteil meiner Goldmünzen.«
    »Die verstreuten Münzen, die ich hier aufgelesen habe, stellen aber einen hübschen Batzen dar«, gab Leon zu bedenken.
    Aziza schnaufte höchst unanmutig. »Wertloser Dreck, gefälscht. Als ob ich so etwas nicht auf den ersten Blick erkenne! Das ist es, was mich so wütend gemacht hat. Er hat sie ausgetauscht, ohne mein Wissen. Ich stellte ihn gestern Abend zur Rede, und... es endete damit, dass er mich niederschlug und schändete. Ich war danach eine Zeit lang ohne Besinnung, und als ich erwachte, hatte ich nicht mehr die Kraft, den Schaden zu beseitigen. Ich blieb einfach inmitten der Trümmer liegen, bis Ihr mich vorhin gefunden habt.«
    »Von einem Roderich von Kastell habe ich noch nie gehört. Doch es sieht ganz danach aus, als ob er der Mann sein könnte, nach dem ich dich neulich gefragt habe, Aziza.«
    »Machst du mir Vorwürfe?«
    Almut lächelte dünn.
    »Nein. Aber nun, da du dich nicht mehr an deine strengen Regeln halten musst, könntest du mir die Antworten geben, nach denen ich gesucht habe.«
    »Das bin ich dir schuldig. Du hast richtig vermutet, die Flinderlein habe ich von ihm erhalten. Es hätte mich stutzig machen müssen, dass er über diesen vergoldeten Tand verfügte. Er hat ihn auf einer Handelsreise in Nürnberg erstanden.«
    »Händler also ist er? Mit welchen Gütern?«, fragte Leon ruhig nach, obwohl Almut ahnte, dass Zorn in ihm brodelte.
    »Angeblich mit Kupfer«, spuckte Aziza und wies auf

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