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Das brennende Gewand

Das brennende Gewand

Titel: Das brennende Gewand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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an die Tür klopften, öffnete ihnen eine rundliche Frau mit vorsichtigem Blick. Leon hielt sich hinter der grauen Begine zurück und überließ ihr das Reden. Almut gab also ihren Stand und Namen an und berief sich auf Meister Krudener, und der Blick, der auf ihr ruhte, wurde freundlicher.
    »Tretet ein. Der Rebbe ist hinten«, sagte die Frau kurz angebunden und führte sie zu einem vollgestopften Studierzimmer.
    Rebbe Goldfarb war ein kleiner magerer Mann, der aussah, als sei seine ganze körperliche Präsenz in seinen Bart hineingewachsen, der in grauschwarzen Wellen fast seine gesamte Brust bedeckte und in einem spitzen Zipfel endete. Seine beweglichen dunklen Augen huschten aufmerksam, aber nicht unfreundlich über sie.
    »Frau Sophia, ich erinnere mich. Die Begine, die der Miriam so große Achtung erweist. Geht es Euch wohl?«
    »Mir ja, Meister Goldfarb, doch meine Miriam steht nun in einem engen Gefängnis, um einem zu Unrecht Beschuldigten Trost zu spenden. Aber das ist eine andere Geschichte. Ich bin gekommen, um Euren Rat zu suchen, Rebbe. Meiner Schwester Aziza ist ein Tort angetan worden.« Sie wies auf Leon, der sich weiterhin größter Zurückhaltung befleißigte. »Leon de Lambrays und ich haben sie eben besucht. Man hat sie beraubt und ihr stattdessen dieses hier überlassen.« Leon legte auf ihren Wink hin den Beutel mit Münzen auf den Tisch.
    »Daher braucht Ihr den Rat eines Goldschmieds oder eines Gelehrten.«
    »Beides, wenn Ihr zu geben bereit seid, Meister Goldfarb. Schaut diese Münzen an.«
    Er öffnete den Lederbeutel und holte ein Goldstück heraus. »Ah bah!«, rief er, warf es in die Luft und fing es wieder auf. Dann drehte er sich zu der Münzwaage um, die auf dem Tisch stand, und legte es hinein.
    »Wie ich’s mir dachte. ›Falsche Waage ist dem Herrn ein Gräuel; aber ein volles Gewicht ist sein Wohlgefallen. ‹«
    »Lehrt uns der große Salomo«, stimmte ihm Almut zu. »›Denn zweierlei Gewicht und zweierlei Maß sind dem Herrn ein Gräuel.‹«
    Goldfarb zwinkerte amüsiert.
    »Ihr habt an Weisheit dazugewonnen, Frau Begine.« Dann rieb er die Münze über einen glatten Stein und betrachtete den Rand. »Blattgold auf Kupfer aufgetragen, und das nicht einmal gut. Wer tat es?«
    »Wer könnte es tun?«
    »Goldschläger, Vergolder, manche Maler und ich. Aber nicht solchen Pfusch!«
    »Ihr würdet es auf die Weise tun, wie Ihr auch meine Ma... Miriam vergoldet habt?«
    »Sicher, sicher.«
    Leon hatte das Geschehen weiterhin stumm verfolgt, nun aber stellte auch er eine Frage, die Almut zunächst überraschte, ihr aber dann erstaunlich scharfsinnig erschien.
    »Wenn jemand einem anderen weismachen wollte, er sei des Goldmachens kundig, wird er also diese plumpe Methode nicht anwenden, sondern die Eure?«
    »Wollt Ihr mir unterstellen, ich behauptete, Gold machen zu können, junger Freund?«
    »Gewiss nicht. Aber ich habe den Verdacht, dass jener, den wir suchen, es tun könnte.«
    »Wen sucht Ihr?«, kam es scharf von dem Rebbe. Almut schritt ein, bevor Leon antworten und noch mehr Missbilligung auslösen konnte. Sie entdeckte immer mehr Ähnlichkeit zwischen Vater und Sohn.
    »›Eine linde Antwort stillt den Zorn, aber ein hartes Wort erregt Grimm‹. Beherzigt dies, Ihr edlen Herrn.«
    Goldfarb nickte anerkennend, und Leon gab mit ruhiger Stimme an: »Roderich von Kastell nennt er sich. Ich bezweifle aber, dass es der Name ist, den er bei der Taufe erhalten hat.«
    »Ah, ein Betrüger und Lügner. Aber ein Freund der Alchemia?«
    »Meine Schwester nannte das Wort Transmutation. Es ist ein Begriff aus jener Kunst, stimmt’s?«
    »Die Wandlung. Viele suchen danach, wenige verstehen diesen Prozess, der Unedles in Edles verwandelt. Und noch weniger Menschen wissen um den lapis philosophorum , der dazu benötigt wird.«
    Leon hob die Augenbrauen, und Almut legte ihm warnend die Hand auf den Arm. Doch es war diesmal nicht Argwohn, sondern ehrliches Interesse, das er äußerte.
    »Man benötigt den Stein der Weisen zur Goldherstellung?«
    »So heißt es.«
    Nun wurde auch Almut aufgeregt: »Aziza hat berichtet, dass er ihr Geld genommen hat, um einen kostbaren Stein zu kaufen.«
    »Wenn er ein Adept der chymischen Kunst ist, so wird er wissen, was und wo er zu suchen hat«, erklärte der Rebbe und schmunzelte in seinen Bart. »Doch ein Lügner und Betrüger wird tatsächlich einen Stein zu kaufen trachten.«
    »Wo würde er das tun?«
    »Wo anders als bei einem Lügner und Betrüger?

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