Das brennende Gewand
das Häuflein Münzen. »Aber er war auch besessen von der Idee, daraus Gold zu machen.«
»In Form von Vergoldung?«
»Nein, durch Transmutation.«
»Ein Alchemist. Das eröffnet weitere Aussichten, ihm auf die Spur zu kommen. Was weißt du noch von ihm, Schwester?«
»Er hat tatsächlich vor Ostern im Adler gewohnt und der Wirtin als Dank die Flinderlein gegeben. Dann hat er eine Unterkunft in einem Haus ›Unter Guldenwaagen‹ gefunden. Nicht sehr bequem, weshalb er oft zu mir kam. Er hat auch einen seltsamen Diener, einen mageren Kerl mit einem grauen Haarkranz und unruhigen Augen.«
»Mit einer Mönchstonsur?«
»Einer natürlichen. Derich rief er ihn, aber ich habe ihn nur zweimal kurz gesehen.«
»Hat er ihn jetzt begleitet?«
»Ich weiß es nicht. Schon möglich. Ich weiß auch nicht, wohin er aufgebrochen ist. Er erzählte nur etwas von einem kostbaren Stein, den er kaufen wolle.«
»Wozu er dein Gold benötigte.«
Leon mischte sich wieder ein und ließ sich eine genaue Beschreibung von Roderichs Aussehen geben, und als Aziza geendet hatte, nickte er Almut zu. »Daher fiel also Euer Verdacht auf mich, Frau Almut. Schwarzhaarig, mit einer Vorliebe für schwarze Kleider, dunkle Hautfarbe, ein fremdländischer Name...«
»Verzeiht Ihr mir, Leon?«
»Selbstverständlich. Und ich verstehe Euch sogar. Eure liebreizende Schwester aber weckt in mir den ernsthaften Wunsch, nähere Bekanntschaft mit meinem Doppelgänger zu machen.«
»Eine Begegnung, vermute ich, die kein reines Vergnügen für den Herrn Roderich darstellen wird?«
Leons weiße Zähne blitzten in seinem dunklen Gesicht auf. Es war kein freundliches Lächeln.
»Lasst noch ein Stück von ihm übrig, Leon, ich will meinen Anteil ebenfalls.«
»Blutrünstig, Frau Begine?«
»Wenn es die Stunde gebietet. Aber kommen wir auf das Näherliegende zurück. Aziza, was hast du ihm von deinen Freunden erzählt. Oder von Ivo vom Spiegel?«
»Zu viel, fürchte ich. Auch wenn ich nicht geschwätzig bin, so hat er mir in manch stiller Stunde...«, sie sah etwas betreten zur Seite, um Leons Blick auszuweichen, »... einiges entlockt.«
»Auf einem weichen Lager, und nach dem Liebesspiel plaudert es sich leicht«, schnurrte der.
»Er hat mir die Ehe versprochen«, flüsterte Aziza und riss ein Stück Brot in kleine Fetzen.
Für Almut erklärte das weit mehr als alles andere. Mochte ihre Schwester auch leichtherzig scheinen und von Mann zu Mann flattern, so sehnte sie sich tief in ihrer Seele doch nach Beständigkeit. Aber sie war eine Bastardtochter, und damit galt sie als unehrlich. Die fest gefügte städtische Gesellschaft würde sie immer ablehnen, sie konnte kein Handwerk erlernen, kein Stift oder Kloster würde sie aufnehmen, und eine Ehe war wenn, dann nur mit ihresgleichen denkbar. Mit einem reisenden Händler zum Gatten konnte sie ihre Vergangenheit aber hinter sich lassen, in einer anderen Stadt als ehrbare Bürgerin leben. Tröstend legte Almut ihr den Arm um die Schultern und nahm das Brot aus ihrer Hand.
»Ist schon gut, meine keusche Schwester«, murmelte Aziza. »Es gibt Wichtigeres. Ich habe von dir gesprochen, von meiner Mutter, ich habe ihm von Esteban und Fabio erzählt, die nach Spanien gereist sind, und...«
»Hast du ihm zufällig auch von Christine, der Buchmalerin, berichtet?«
Aziza überlegte und nickte dann. »Das habe ich tatsächlich. Esteban hat mir nämlich zum Abschied ein kleines Blumenbild von ihr gegeben. Das habe ich Roderich irgendwann mal gezeigt.«
»Von dem Brevier, das er Ivo geschenkt hat, hast du ihm vermutlich auch berichtet?«
Wieder nickte Aziza, und Almut zeigte Leon die Zusammenhänge auf, die sich ihr damit erhellten.
»Es gab eine Verbindung zwischen dem Vergolder Thomas und Roderich von Kastell. Ich vermute sehr stark, dass Gold das gemeinsame Band darstellt. Welcher Zusammenhang aber besteht zwischen Ivo vom Spiegel und Roderich? Denn er war es, der zufällig jenes Brevier dort fand, wo Thomas umgebracht worden ist.«
»Wenn ein Vergolder und ein Kupferhändler Geschäfte miteinander machen, kommt so etwas heraus«, stellte Leon fest und klimperte mit den gefälschten Münzen. »Wenn Thomas ein Saufaus war, dann hatte Roderich bestimmt Angst, dass er seine üblen Geschäftspraktiken ausplaudern würde.«
»Weshalb Ihr ihn für den Mörder selbst haltet. Das wäre unverfroren.«
»Es ist auch unverfroren, Fälscherei zu betreiben und Frauen Gewalt anzutun. Ist dieses Brevier von großem
Weitere Kostenlose Bücher