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Das brennende Gewand

Das brennende Gewand

Titel: Das brennende Gewand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Nachricht wurde von einem verlässlichen Boten überbracht, und schon bald wechselte Gold die Hände. Ein hagerer Mönch in brauner Kutte befreite die Hebamme von der Last der Sünde.

29. Kapitel
    »Ich will Euch den Vorgang an einem schlichten Beispiel aufzeigen«, belehrte Meister Krudener sie und wies auf den Kessel, in dem Trine die Bierwürze kochte. »Es ist ein alchemistischer Vorgang, der über viele Schritte hin die Verwandlung der Urmaterie in einen höchst edlen Stoff beschreibt.« 2
    Clara und Almut lauschten aufmerksam, die kleine graue Katze hatte es sich neben ihnen gemütlich gemacht und sogar der Papagei hielt seinen Schnabel.
    »Die materia prima ist in diesem Fall die Gerste. Sie wird eingeweicht, und die Körner verlieren bei diesem Vorgang ihre Härte. Wir nennen es die Putrefaction oder Fäulnis. Anschließend wird das Wasser abgegossen, und der Keim nährt sich aus dem weichen Korn. Dieses ist die Digestion, die Selbsterwärmung, in der sich die wirkende Substanz vom Nutzlosen trennt. Dann wird ihm die Feuchte entzogen, das gekeimte Korn wird über dem Feuer gedarrt, die Coagulation, die Verfestigung beginnt. Das verfestigte Malz wird gemahlen - der Vorgang, der der Calcination in der mineralischen Welt entspricht. Das darauf folgende Kochen der Substanz entspricht der Destillation, und während dieses Prozesses wird das vegetabilische Sal, die Würze, hinzugegeben. Hier nehmen wir die Hopfengrut, die die kundige Trine soeben zubereitet. Alles das beginnt zu gären, und durch das Aufsteigen der Hefen klärt sich die Flüssigkeit - die Clarification. Durch einfaches Filtern trennen wir zum Schluss das eine vom anderen, die Separation, und schon haben wir flüssiges Gold erhalten.«
    »Ganz ohne die Verwendung des roten Leu, wie ich sehe«, bemerkte Almut erheitert. »Sehr aufschlussreich, Meister Krudener.«
    »Sicher, und wenn man es erst einmal verstanden hat, kann man diesen Vorgang auf vieles übertragen. Aber wie ich Euch kenne, Frau Sophia, geht es Euch nicht ausschließlich um eine Erklärung alchemistischer Vorgänge.«
    »Da habt Ihr recht. Es diente nur zu unserem Verständnis. Wir sind nämlich auf der Suche nach dem lapis philosophorum, dem roten Leu oder dem Stein der Weisen.«
    »Tatsächlich? Hofft Ihr etwa, damit Ivo vom Spiegel helfen zu können?«
    »Genau das ist unser Bestreben.«
    »Frau Almut, ich habe Euch für weit scharfsinniger gehalten. Wollt Ihr mit Zaubersteinen und hohlem Schein Ivo aus seiner Klause befreien?«
    »Schweig, arger Wicht! Dir soll mein Wuchthammer den Mund verschließen!«, krähte der Papagei plötzlich, und Clara musste sich mit der Hand den Mund verschließen, um nicht in unbotmäßiges Gelächter auszubrechen. Almut hingegen, die bereits Bekanntschaft mit dem vorlauten Vogel gemacht hatte, erlaubte sich lediglich ein Lächeln.
    »Aha!«, grummelte Krudener. »Auf falsche Fährten verlockt mich Eure Frage?«
    »Sagen wir so - es steckt mehr dahinter. Es gibt angeblich einen Mann, einen aus der Familie Overstoltz, der sich den alchemistischen Künsten widmet, wenn auch nach Aussagen unseres Beichtigers mit geringem Witz, und der in dem Ruf steht, besagten Stein zu besitzen.«
    »Johann Overstoltz. Kenne ihn. Er werkelt auf der Burg Efferen herum. Ein Tropf.«
    »Eben diesen Titel verlieh ihm sein Vetter, Pater Henricus, ebenfalls.«
    »Und was wollt Ihr dann von diesem Quacksalber?«
    »Ein Roderich von Kastell scheint ihn aufgesucht zu haben, um die Kunst des Goldmachens von ihm zu erlernen.«
    Meister Krudener stand auf und schritt im Raum auf und ab. Dabei umwehten ihn die weiten Ärmel seiner Robe, und all die zerbrechlichen Glasgefäße, die Tiegel und Phiolen, die Kolben und Flaschen waren beständig in Gefahr, von Tischen und Borden gefegt zu werden und auf dem Boden zu zerschellen. Aber irgendeine gütige Macht sorgte dafür, dass kein dramatisches Unglück geschah.
    »Roderich von Kastell, sagt Ihr. Mir will es vorkommen, als hätte ich diesen Namen schon einmal gehört.«
    »Verkehrt Ihr mit Münzfälschern und Mördern, Meister Krudener?«
    »Nicht, nein. Ist er der Mann, der Ivo angeklagt hat?«
    »So ist es.«
    »Eine schlechte Mischung - ein Tropf und ein Verbrecher. Es wird nichts Gutes daraus erwachsen.«
    »Das fürchte ich auch.«
    »Was wollt Ihr tun?«
    »Einen Freund auf seine Spur setzen.«
    Der Apotheker sah bedrückt drein.
    »Ich habe die Klause aufgesucht und versucht, mit Ivo zu reden. Aber er schweigt oder murmelt

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