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Das brennende Gewand

Das brennende Gewand

Titel: Das brennende Gewand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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also Euer Bruder Bertholf auf der Suche nach dem roten Leu? Man sagt ja, dass man mit ihm die Verwandlung durchführen kann. Haltet Ihr ihn für mineralisch oder pflanzlich?«
    »Ah, auch Ihr seid bewandert? Es gibt viele, die einen wertvollen Stein suchen, andere ein Pulver oder das Elixier des Lebens.«
    »Hat ihn jemand in seinem Besitz?« Almut, an ihr Gespräch mit Rebbe Goldfarb erinnert, interessierte weniger die Art des Stoffes; sie sah eine Gelegenheit, Roderichs Fährte weiterzuverfolgen. »Kennt Ihr jemanden, der den lapis philosophorum sein Eigen nennt?«
    »Wenn ich das täte, hätte ich ihn schon lange aufgesucht. Und viele andere auch. Ob er ihn dann noch hätte, bleibt dahingestellt.«
    »Dann will ich anders fragen - kennt Ihr jemanden, der behauptet, ihn zu besitzen?«
    »Es gibt immer wieder Scharlatane und Wichtigtuer, die das tun. Warum wollt Ihr das wissen, Frau Almut?«
    Sie überlegte, ob sie dem Pater die ganze verworrene Angelegenheit aufdecken sollte, entschied sich jedoch dagegen. Zu viele der Verwicklungen müsste sie ihm verständlich machen. Sie unterbreitete ihm eine geläuterte Form der Wahrheit.
    »Jemand, der meine Schwester betrogen hat, indem er ihr gefälschte Goldmünzen untergeschoben hat, ist zu einem Mann aufgebrochen, der angeblich diesen Stein besitzt. Sie hat ein großes Bedürfnis, den Fälscher aufzutreiben und anzuklagen.«
    »Ja, das ist ein guter Grund. Es gibt zwei, drei Männer, von denen ich gehört habe, zwei von ihnen waren reisende Quacksalber, die die Stadt schon vor Ostern verlassen haben, der andere ist einer, der sich zwar ein großes Laboratorium eingerichtet hat, aber...«
    »Aber?«
    »Um die vielen komplexen Schritte korrekt durchzuführen, die notwendig sind, um den Stein zu erhalten, fehlt es meinem Vetter an Geist.«
    »›Wer zugrunde gehen soll, der wird zuvor stolz; und Hochmut kommt vor dem Fall.‹«
    Maria hatte nicht schnell genug einschreiten können, und so wurde Almut über und über rot, als die letzten Worte ihre Lippen verlassen hatten.
    Pater Henricus war allerdings ebenso errötet.
    »Ihr habt recht, Frau Almut. Es ist das Laster, wie unser Name schon sagt. Selbst alle Übungen in Demut haben es nicht verhindern können, dass ich mich über den Tropf erhaben fühle.«
    »Es ist auch mein Laster, Pater Henricus«, gestand Clara leise. »Somit habt Ihr meine böseste Sünde bereits gehört.«
    »Wer bin ich, dass ich richten soll!«
    »Ihr seid ein guter Mensch, Pater Henricus. Mir habt Ihr sehr geholfen. Und es würde Frau Claras und meine Seele erleichtern, wenn Ihr uns Buße auferlegtet und von unseren Sünden freisprächet.«
    Er tat es gemessen und angemessen, und beide Beginen gestanden dem Franziskaner eine besonnene Haltung zu. Nach erteilter Absolution gingen sie mit ihm nach unten, um ihn zum Tor zu geleiten.
    Auf dem Hof aber, neben dem Brunnen, trafen sie Teufelchen an, die erstmals mit ihrem Nachwuchs außerhalb der Küche spielte. Sie boten ein possierliches Bild. Die schwarze Katze lag auf dem Boden und ließ die Kleinen nach ihrem Schwanz haschen. Immer wieder zuckte er gerade dann fort, wenn sich eines der Tätzchen hineinkrallen wollte. Enttäuscht von der mütterlichen Gewandtheit patschte der junge Tiger seinen Geschwistern auf die Kehrseite, die wiederum sprangen empört Teufelchen in den Nacken, was diese sich mit Langmut gefallen ließ, und sie schnurrte aufmunternd.
    »Sie sind gute Mütter, die Katzen«, murmelte Pater Henricus. »Sie unterrichten ihre Kinder sorgfältig.«
    »Ihr mögt Katzen?« Almut hatte schon zu häufig abfällige Bemerkungen über die nächtlichen Jägerinnen gehört, um das so einfach zu glauben.
    »Aber natürlich, Frau Almut. Unser heiliger Franziskus hat uns Menschen sogar die Tiere besonders ans Herz gelegt. ›Alle Geschöpfe der Erde fühlen wie wir, alle Geschöpfe der Erde streben nach Glück wie wir, alle Geschöpfe der Erde lieben, leiden und sterben wie wir. Also sind sie uns gleichgestellte Werke des allmächtigen Schöpfers.‹«
    Das getigerte Kätzchen ließ von seinen Geschwistern ab und begann, an Almuts grauem Rock emporzuklettern. Sie klaubte es auf und setzte es sich, wie schon so oft zuvor, auf die Schulter. Daran gewöhnt, begann es, mit den Falten ihres Gebändes zu spielen.
    »Und dieses Tier, Frau Almut, nennt man sogar ein Marienkätzchen.«
    »Wie das?«
    »Seht Ihr nicht, wie der Schöpfer ihm das M auf die Stirn gezeichnet hat?«
    Almut nahm das zappelnde

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