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Das brennende Gewand

Das brennende Gewand

Titel: Das brennende Gewand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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solche Lumpen in die Kapelle zu werfen, aber das ist doch kein Grund, sich dermaßen aufzuregen.«
    »Es ist wieder fort?«, fragte Almut tonlos.
    »Was?«
    »Das tote Kind.«
    »Almut, dir geht es bestimmt nicht gut. Hast du Fieber?«
    »Nein. Nur ein krankes Gehirn. Ich sehe Dinge, wo sie nicht sein sollen.«
    »Tote Kinder?« Mitgefühl klang in der Stimme der Meisterin mit.
    »Fehlgeburten.«
    Magda legte den Arm um sie und streichelte ihr die Schultern.
    »Du machst dir zu viele Sorgen. Du hast dir viel zu viel aufgebürdet.«
    »Nein, nein. Es ist nur, dass mich der Fluch einholt.« Trostlos begann Almut zu schluchzen.
    »Was für ein Fluch?«
    »Meine gestorbenen Kinder. Meine verlorenen Kinder. Ich konnte sie nicht behalten.«
    »Almut, das ist Jahre her.«
    »Sie kommen zurück. Ich sehe sie so deutlich vor mir, ja, ich kann sie sogar berühren. Ich dachte, da in der Kapelle... Ich dachte, ich hätte wieder eines gefunden. Ich dachte, ich hätte es in den Korb gelegt...«
    »Mhm.«
    Almut schnupfte und wischte sich die Nase.
    »Es ist nicht das erste Mal?«
    »Nein, schon dreimal.«
    »Fass dich und erzähl es mir!«, kam der strenge Befehl, und er half Almut mehr als weiteres Mitleid. Gequält berichtete sie der Meisterin von dem Katzenkind und dem Fötus auf ihrem Bett.
    »Almut, hast du solche - mhm - Erscheinungen früher schon mal gehabt?«
    »Nein, noch nie. Nur Träume. Von den Kindern habe ich früher oft geträumt. Aber in den letzten Monaten nicht mehr. Nur jetzt wieder.«
    »Ich halte dich für eine sehr verständige Frau, Almut. Wenn mir Rigmundis so etwas erzählt hätte, wären meine Bedenken größer. In deinem Fall frage ich mich aber - könnte es sein, dass dir jemand sehr hässliche Streiche spielt?«
    »Aber wer und warum? Und vor allem, Magda - wo kommen die toten Kinder her?«
    »Der Frage möchte ich im Einzelnen nicht nachgehen. Aber du weißt, es gibt Engelmacherinnen...«
    »Das ist ja grausam.«
    »Jemand ist grausam. Jemand, der weiß, wie eng du Ivo vom Spiegel verbunden bist. Glaubst du wirklich, dass diejenigen, die ihn vernichten wollen, nicht auch dir nach dem Leben trachten könnten?«
    »Mich in den Wahnsinn treiben. Maria, barmherzige Mutter, Rigmundis hat es gesehen. ›Sie errichten Mauern um den Schuldlosen und lassen ihn bittere Kräuter essen. Sie stürzen die trauernde Mutter in den Abgrund des Wahnsinns.‹«
    »Wer hat dir die Körper ins Zimmer legen, wer hat sie schnell genug entfernen können, nachdem du sie entdeckt hast?«
    »Jede von uns, Besucher, unsere Mägde...«
    »Wem bist du auf dem Weg zwischen der Kapelle und diesem Platz hier begegnet, Almut?«
    »Nur einer Magd, einem ziemlich tölpelhaften Geschöpf. Ich glaube, sie ist noch nicht lange bei uns.«
    »Die Maren? Sie ist für die Nys eingesprungen, die ihre Muhm pflegen muss.« Nachdenklich strich die Meisterin über die weiche Pelzdecke, die über die Lehne des Sessels hing. »Ich werde sie mir mal vornehmen.«
    »Es ist...«
    »Ja?«
    »Die Edle von Bilk. Ich weiß, es ist Geschwätz, und ich habe Lena schon gewaltig angefahren deswegen, aber sie behauptet, sie hätte den bösen Blick.«
    »Du verdächtigst sie, weil sie unser Gast ist?«
    »Nein. Ach - ich bin durcheinander.«
    »Ich weiß. Ich werde mit meinem Bruder noch einmal über die Edle sprechen. Mir schien sie bisher sehr hilfsbereit und freundlich. Und welche Beziehung sie zu Ivo vom Spiegel haben könnte, will mir nicht einleuchten.«
    »Sie hat einige Jahre in Spanien gelebt.«
    »Nach dem Tod ihres Mannes. Da war der Herr vom Spiegel allerdings schon im Kloster.«
    »Ja, das stimmt. Ich sehe Gespenster, Magda.«
    »Nein. Ich selbst habe dich gebeten, Vorsicht walten zu lassen. Tue es auch weiterhin. Und nun wollen wir essen gehen. Bist du in der Lage, dich ganz normal zu verhalten?«
    »Das Essen wird mir schwerfallen, Magda. Denn ob Trugbild oder echt - die Kinder...« Almut musste hart schlucken.
    »Bete.«
    »Ja.«
    Es half ein wenig, die Träne Mariens barg einen kleinen Trost, und Almut war in der Lage, ein paar Löffel von der Linsensuppe mit geräucherten Würsten zu sich zu nehmen.
    Aber in der Nacht lag sie lange wach und zermarterte sich den Kopf, um all die losen Enden zusammenzufügen, die sie in Händen hielt.

30. Kapitel
    »Sie glaubt, dass sie wahnsinnig wird. Sie glaubt, die Kinder, die sie verloren hat, würden wiedergehen und sie strafen. Lange wird es nicht mehr dauern, und sie wird schreiend durch die Straßen

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