Das brennende Land
wuchtiger Kornspeicher, errichtet auf Steinpfeilern, um die Ratten fernzuhalten. Alle Gebäude, neue und alte, waren von einer Palisade umschlossen. Wir ritten den Hügel hinunter. Wachen standen auf einer hölzernen Plattform über dem Tor, doch sie mussten Æthelflæd erkannt haben, denn sie fragten nicht, wer wir waren, sondern gaben sofort den Befehl, die großen Torflügel aufzuschieben.
Æthelreds Verwalter erwartete uns in dem weitläufigen Hof. Falls er erstaunt war, Æthelflæd vor sich zu haben, so verriet er es mit keiner Miene. Er verbeugte sich einfach nur tief vor ihr und begrüßte sie höflich. Sklaven brachten uns Schalen mit Wasser, sodass wir uns die Hände waschen konnten, während Stalljungen unsere Pferde übernahmen. «Der Herr ist im Palas, Herrin.» Der Verwalter klang beunruhigt.
«Befindet er sich wohl?», fragte Æthelflæd.
«Gott sei gelobt, ja», antwortete er, und sein Blick zuckte zwischen mir und ihr hin und her. «Ihr seid wohl zu der Ratsversammlung gekommen?»
«Welche Ratsversammlung?», fragte Æthelflæd und nahm ein Wolltuch von einem Sklaven entgegen, um sich die Hände abzutrocknen.
«Die Heiden machen Schwierigkeiten, Herrin.» Der Verwalter warf mir erneut einen vorsichtigen Blick zu.
«Das ist der Herr Uhtred von Bebbanburg», sagte Æthelflæd mit vorgeschützter Gleichgültigkeit. «Ja, wir sind zu der Ratsversammlung gekommen.»
«Ich werde Eurem Gemahl ausrichten, dass Ihr hier seid», sagte der Verwalter. Er war zusammengezuckt, als sie meinen Namen nannte, und hastig einen Schritt zurückgetreten.
«Es besteht keine Notwendigkeit, uns anzumelden», sagte Æthelflæd scharf.
«Eure Schwerter?», fragte der Verwalter. «Wenn Ihr so freundlich seid, Ihr Herren, Eure Schwerter.»
«Ist im Palas irgendwer bewaffnet?», fragte ich.
«Die Wache des Aldermanns selbst, sonst niemand.»
Ich zögerte, dann aber reichte ich dem Verwalter meine Schwerter. Es war üblich, in einem königlichen Palas keine Waffen zu tragen, und Æthelred betrachtete sich offenkundig als nahe genug an der Königswürde, um dieselbe Höflichkeit zu fordern. In Wirklichkeit war es mehr als Höflichkeit: Es war eine Vorsichtsmaßnahme gegen die blutigen Streitereien, die einem ausschweifenden Fest folgen konnten. Ich hatte einen Moment überlegt, ob ich Schlangenhauch behalten sollte, doch dann glaubte ich, man würde in der langen Klinge nichts als eine Herausforderung sehen.
Ich nahm Osferth, Finan, Pater Pyrlig und Beornoth mit. Das Blut pochte in meiner Hand, und sie war so rot und geschwollen, dass ich dachte, schon die bloße Berührung mit einer Messerspitze müsste sie aufplatzen lassen wie eine reife Frucht. Ich verbarg sie unter meinem Umhang. Aus dem Sonnenlicht traten wir in die schattige Dunkelheit von Æthelreds großem Palas.
Während sich der Verwalter bei Æthelflæds Anblick beherrscht hatte, so war das Verhalten ihres Gemahls wie ein offenes Buch. Zuerst malte sich Verärgerung auf sein Gesicht, als wir den Raum betraten - offenbar hatten wir gestört -, dann Hoffnung, weil er glauben musste, Aldhelm sei gekommen. Erst dann erkannte er uns, und einen höchst befriedigenden Moment lang sprach reiner Schrecken aus seiner Miene. Er saß auf einem Stuhl, der wie ein Thron aussah und auf einem Podest stand, auf dem bei Festen üblicherweise die Ehrentafel aufgebaut wurde. Æthelred trug einen schmalen Bronze reif auf seinem roten Haar, einen Reif, den man mit einer Krone verwechseln konnte. Eine schwere goldene Kette hing über seiner bestickten Weste, und um seine Schultern lag ein pelzgefütterter Umhang, der leuchtend scharlachrot gefärbt war. Zwei Männer mit Schwertern und Schilden standen hinter ihm auf dem Podest, rechts und links von ihm saßen zwei Priester. Vor ihnen standen vier Bänke auf dem mit Binsenstroh ausgestreuten Boden. Achtzehn Männer saßen auf diesen Bänken, und sie alle drehten sich um und starrten uns an. Der Priester zu Æthelreds Rechten war mein alter Gegner Bischof Asser, und er sah mich aus weit aufgerissenen Augen an. Wenn es wirklich Alfred war, der mich durch seine Winkelzüge dazu gebracht hatte zurückzukehren, so hatte er Asser offenkundig nicht in seine Pläne eingeweiht.
Es war Asser, der das Schweigen brach, und schon das allein war bemerkenswert. Dieser Palas gehörte Æthelred, er hatte das Amt des Aldermanns von Mercien inne, und dennoch dachte sich der walisische Bischof nichts dabei, sich das erste Wort
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