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Das brennende Land

Das brennende Land

Titel: Das brennende Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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verursachte genügend Lärm, um die Toten auf dem kleinen Friedhof von Thunresleam aufzuwecken, doch offenbar machten die Dänen selbst zu viel Lärm, um uns zu hören, und so wussten sie nicht, dass wir heimlich das Lager geräumt hatten.
    «Das können wir nicht jeden Morgen machen», knurrte Ælfwold.
    «Wenn sie uns angreifen wollen», entgegnete ich, «dann muss es heute sein. Morgen sind wir nämlich schon oben in ihrer alten Festung.»
    «Morgen?», fragte er überrascht.
    «Wenn Edward heute kommt.» Ich hatte vor, die alte Festung so schnell wie irgend möglich anzugreifen. Ich wartete nur noch auf genügend Männer, um acht oder neun Angriffe zugleich durchführen zu können.
    Wir ritten ins Dorf und warteten. Wir waren vierhundert kampfbereite Männer. Ich wusste, dass die Dänen unseren Abzug inzwischen entdeckt haben konnten, und deshalb bestand ich darauf, dass wir in den Sätteln blieben. Die aus dem Schlaf gerissenen Dorfbewohner brachten uns saures Ale, und Pater Heahberht reichte mir beklommen eine Schale Met. Es war überraschend gut, und ich sagte Heahberht, er solle auch Æthelflæd und ihren beiden Mägden davon bringen, den einzigen Frauen bei der Truppe. «Wenn die Dänen angreifen», erklärte ich Æthelflæd, «dann bleibst du mit einer Leibwache hier.» Sie sah mich zweifelnd an, doch dieses eine Mal widersprach sie nicht.
    Es war immer noch dunkel. Nur das Klirren von Zaumzeug und unruhiges Hufstampfen waren zu hören. Gelegentlich sagte einer der Männer etwas, doch die meisten schliefen zusammengesunken in ihren Sätteln. Rauch trieb aus den Abzugslöchern der Hüttendächer, der klagende Schrei einer Eule drang aus dem Wald herüber, und ich spürte, wie sich eine kalte Trostlosigkeit auf mich senkte, und es wollte mir nicht gelingen, sie abzuschütteln. Ich berührte meinen Thorshammer und betete zu den Göttern um ein Zeichen, doch alles, was ich hörte, war die Eule, die ihren klagenden Ruf wiederholte. Wie konnte ich zwei Festungen einnehmen? Ich fürchtete, von den Göttern verlassen    worden zu sein. Hatte ich ihre Gunst verwirkt, indem ich aus Northumbrien in den Süden gekommen war? Alfred hatte ich erklärt, dass wir auf Erden waren, um unsere Götter zu belustigen. Doch hatte ich wirklich geglaubt, die Götter mit Untreue und Verrat belustigen zu können? Ich dachte an Ragnars Enttäuschung. Diese Erinnerung zerfraß meine Seele. Ich rief mir Bridas Verachtung ins Gedächtnis und wusste, dass ich sie verdiente. Ich fühlte mich unwert an diesem Morgen, an dem hinter mir die Dämmerung als graues Band den Himmel emporkroch. Ich fühlte mich, als sei meine Zukunft vorüber, und das Gefühl war so stark, dass ich beinahe daran verzweifelte. Ich wandte mich auf der Suche nach Pyrlig im Sattel um. Der walisische Priester war einer der wenigen Männer, denen ich ganz und gar vertraute, und ich wollte seinen Rat. Doch bevor ich nach ihm schicken konnte, erklang ein Warnruf. «Da kommt ein Reiter, Herr!»
    Ich hatte Finan und eine Handvoll Männer als Späher eingesetzt. Sie standen an den Feldrainen auf halbem Weg zwischen dem Dorf und dem alten Palas, und Finan hatte einen von ihnen zu mir geschickt, um mir zu berichten, dass sich die Dänen in Bewegung gesetzt hatten. «Sie sind im Wald, Herr», sagte der Mann, «bei unserem Lager.»
    «Wie viele?»
    «Das können wir nicht sagen, Herr, aber es hört sich nach einer ganzen Horde an.»
    Was ebenso gut zweihundert wie zweitausend bedeuten konnte. Die Besonnenheit hätte dazu geraten abzuwarten, bis Finan die Anzahl der Feinde genauer einschätzen konnte, doch ich war in trüber Stimmung, fühlte mich dem Untergang geweiht und wartete sehnsüchtig auf ein Zeichen der Götter. Deshalb drehte ich mich zu Æthelflæd um. «Du    bleibst mit deiner Leibwache hier», sagte ich, wartete ihre Antwort nicht ab, sondern zog Schlangenhauch. Das durchdringende Geräusch, mit dem die Klinge aus der Kehle der Scheide fuhr, tröstete mich ein wenig. «Die Dänen sind bei unserem Lager!», rief ich. «Und wir werden sie töten!» Ich trieb mein Pferd an, den Hengst, den ich mir von Aldhelm genommen hatte. Es war ein gutes Tier und zum Kampf erzogen, doch ich war immer noch nicht ganz vertraut mit ihm.
    Ælfwold galoppierte an meine Seite. «Wie viele sind es?», fragte er.
    «Genügend!», rief ich ihm zu. Ich war unbesonnen, waghalsig, und ich wusste, dass ich etwas Tollkühnes vorhatte. Aber ich nahm an, die Dänen würden das Lager

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