Das brennende Land
angreifen und augenblicklich feststellen, dass wir ihren Angriff vorausgesehen hatten. Das würde sie bestimmt verunsichern. Ich wollte, dass sie unvorbereitet waren, und deshalb ließ ich meinen Hengst in Trab fallen. Meine gesamte Einheit, mehr als dreihundert Männer, folgte mir. Die Morgendämmerung ließ erste Schatten in die Ackerfurchen fallen, und Vögel flatterten aus dem Wald vor uns auf.
Ich drehte mich im Sattel um und sah Speere und Schwerter, Äxte und Schilde. Sächsische Krieger, in grauen Kettenhemden unter einer grauen Morgendämmerung, grimmige Mienen unter metallenen Helmen. Ich spürte die Kampfeswut in mir aufsteigen. Ich wollte töten. Diese seltsam trostlose Stimmung hielt mich weiter gefangen. Ich würde mich der Gnade der Götter ausliefern müssen. Wenn sie mich am Leben lassen wollten, wenn die Spinnerinnen bereit waren, meinen Schicksalsfaden wieder in das goldene Muster zurückzuweben, dann würde ich diesen Morgen überstehen. Omen und Zeichen, damit leben wir, und so ritt ich, um dem Willen der Götter auf die Spur zu kommen. Ich war so töricht.
Reiter tauchten zu unserer Rechten auf, und ich schreckte hoch, aber es waren nur Finan und seine sieben Späher, die herangaloppierten, um zu uns aufzuschließen. «Es sind vielleicht dreihundert oder vierhundert!», riefen sie.
Ich nickte nur und drückte meinem Pferd die Fersen in die Flanken. Der Weg zu dem alten Palas war breit genug, dass vier oder fünf Männer nebeneinander reiten konnten. Finan erwartete vermutlich, dass ich unsere Reiter kurz vor der Lichtung anhalten lassen würde, die wir um den Palas herum freigeschlagen hatten. Dann würde ich die Männer schon zwischen den Bäumen Aufstellung nehmen lassen können. Doch mich hielt die Unbesonnenheit in ihren Fängen.
Vor uns flammte Licht auf. Der Tag war noch grau, das Dunkel der Nacht hing noch über dem westlichen Horizont, doch das unvermittelte Aufleuchten war rot und blendend. Feuer. Die Dänen hatten das Strohdach des Palas angezündet, also mochte der Brand nun ihr Sterben beleuchten. Ich sah den Waldrand, sah die am Boden liegenden Stämme, die wir am Vortag gefällt hatten, sah das schwache Schimmern verglühender Lagerfeuer und die dunklen Umrisse von Männern und Pferden, die schimmernde Spiegelung des Feuers auf Helmen, Rüstungen und Waffen. Ich trieb meinen Hengst an und brüllte: «Tötet sie!»
Wir kamen ungeordnet, brachen mit Schwertern und Speeren aus dem Wald, mit Hass und Wildheit, und fast in demselben Augenblick, in dem ich auf die Lichtung kam, erkannte ich, dass sie in der Überzahl waren. Die Dänen waren mit einem großen Verband angerückt, es waren mindestens vierhundert. Die meisten saßen noch auf ihren Pferden, doch sie waren überall im Lager verteilt. Nur wenige hatten bemerkt, dass wir uns näherten, bis wir mit unseren Pferden und Klingen vor ihnen in der Dämmerung auftauchten. Der größte gegnerische Verband befand sich am westlichen Rand der Lichtung. Von dort aus sahen die feindlichen Reiter über das dunkle Land zu dem schwachen Schimmern der Kochfeuer von Lundene hinüber. Sie dachten womöglich, wir hätten die Hoffnung aufgegeben, ihre Festungen zu erobern, und uns im Schutze der Nacht wieder nach Lundene aufgemacht. Stattdessen aber kamen wir von Osten, mit dem zunehmenden Tageslicht im Rücken.
Das Feuer schlug immer höher aus dem Strohdach des Palas und beleuchtete uns rot. Rotes Feuer blitzte auf den gebleckten Zähnen der Pferde, auf unseren Rüstungen, unseren Klingen, und ich brüllte und hieb mit meinem Schwert auf den ersten Mann ein. Er war zu Fuß, und er versuchte seinen Speer gegen mein Pferd zu richten, doch bevor er dazu kam, hatte ich ihn mit Schlangenhauch seitlich am Kopf getroffen. Gleich darauf hieb ich mit dem Schwert auf den nächsten Mann ein, achtete kaum darauf, welche Verletzungen ich anrichtete, sondern wütete nur immer weiter. Wir hatten sie überrascht, und eine kurze Zeit waren wir die Herren der Schlacht. Wir strömten vom Weg auf die Lichtung und machten Krieger nieder, die abgesessen waren, um bei den verglimmenden Lagerfeuern nach Beute zu suchen. Ich sah Osferth die flache Seite seiner Axt einem Mann auf den Kopf schlagen, und der Gegner verlor durch den wuchtigen Hieb seinen Helm und stolperte rücklings in eines der Feuer. Der Mann musste die Angewohnheit gehabt haben, sich nach dem Essen die Hände an den eigenen Haaren abzuwischen, denn sie fingen sofort Feuer und
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