Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das brennende Land

Das brennende Land

Titel: Das brennende Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
Vom Netzwerk:
beiden aufs Ufer gezogenen Wachschiffe am Eingang des Wasserlaufs entdeckt hatten. Die dänische Besatzung des anderen Schiffs, desjenigen, das auf Caninga lag, hatte die schwere Kette gelöst, die das Fahrwasser sperrte, und so entkamen die drei Schiffe auf die offene See. Doch das vierte hatte kein solches Glück. Es war beinahe schon an Finan vorbei, als ein gutgezielter Speer in die Brust des Steuermanns fuhr. Er kippte nach vorn, das Steuerruder schwenkte in einem weiten Bogen herum, und das Schiff fuhr mit dem Bug aufs Ufer. Das folgende Schiff konnte nicht mehr ausweichen, und Wasser strömte durch die gesplitterten Planken hinein. Von der steigenden Flut wurde es zurück in den Wasserlauf geschoben.
    Wir brauchten in dem Gewirr aus Marschen, Schilfdickichten und Wasserläufen den gesamten Tag zur Verfolgung der Überlebenden auf Caninga. Wir fingen Hunderte Frauen und Kinder ein, und meine Männer suchten sich diejenigen heraus, die sie als Sklaven wollten. An diesem Tag lernte ich Sigunn kennen, ein Mädchen, das ich in einem Graben entdeckte. Sie war hellhaarig, blass und schlank, erst sechzehn und doch schon Witwe, denn ihr Mann lag tot in der eroberten Festung, und sie zuckte zusammen, als ich durch das Schilf auf sie zukam. «Nein», sagte sie immer wieder. «Nein, nein, nein.» Sie zitterte vor Angst. Ich streckte ihr die Hand entgegen, und nach einiger Zeit, und weil ihr das Schicksal ohnehin keine andere Wahl ließ, nahm sie meine Hand. Ich trug Sihtric auf, sich um sie zu kümmern. «Pass auf sie auf», hieß ich ihn auf Dänisch, einer Sprache, die er gut beherrschte, «und sorge dafür, dass ihr nichts angetan wird.»
    Wir brannten die Festungen nieder. Ich wollte sie halten, um sie als Vorposten zum Schutz Lundenes zu nutzen, doch Edward betonte nachdrücklich, dass unser Kampf bei Beamfleot nichts anderes war als ein Übergriff auf ostanglisches Gebiet. Die Festungen zu halten hätte einen Bruch des Friedensabkommens bedeutet, das sein Vater mit dem König von Ostanglien geschlossen hatte. Es rührte ihn nicht, dass die Hälfte der ostanglischen Dänen mit Haesten auf Raubzug ging. Edward bestand darauf, dass das Abkommen seines Vaters respektiert werden müsse, und so rissen wir die Palisaden nieder, stapelten die Balken in den Palas-Gebäuden auf und setzten sie in Brand. Doch zuvor trugen wir sämtliche Reichtümer hinaus und luden sie auf vier der eroberten Schiffe.
    Am darauffolgenden Tag brannten die Feuer immer noch. Es dauerte drei Tage, bis das glühende Holz so weit abgekühlt war, dass ich nach einem Schädel suchen konnte. Ich glaube schon, dass es Skades Schädel war, den ich dann fand, doch sicher kann ich nicht sein. Ich rammte den Schaft eines dänischen Speers in die vom Feuer zusammengebackene Erde und spießte den Schädel auf die abgebrochene Spitze. Das verkohlte Knochengesicht starrte blicklos in Richtung des Wasserlaufs, an dessen Ufer immer noch die Skelette von beinahe zweihundert Schiffen rauchten. «Das ist eine Warnung», erklärte ich Pater Heahberht. «Wenn der nächste Däne hierherkommt, soll er sehen, welches Schicksal ihn erwartet.» Ich gab Pater Heahberht einen großen Beutel mit Silber. «Wenn Ihr jemals Hilfe braucht, dann kommt zu mir.» Draußen bei dem Graben, zu dem das Feuer nicht gedrungen war, wo aber so viele Westsachsen und Mercier ihr Leben gelassen hatten, war der Schlamm immer noch mit toten Bienen    übersät. «Erzählt Brun, dass Ihr für seine Bienen ein Gebet gesprochen habt.»
    Am nächsten Morgen zogen wir ab. Edward ritt mit seinen Truppen nach Westen, doch zuvor sagte er mir Lebewohl, und ich sah, dass sein Gesicht einen ernsteren, härteren Ausdruck angenommen hatte. «Werdet Ihr in Mercien bleiben?», fragte er mich.
    «Das wünscht Euer Vater, Herr», antwortete ich.
    «Ja, das tut er. Also werdet Ihr bleiben?»
    «Ihr kennt die Antwort, Herr.»
    Er sah mich an, dann umspielte die Andeutung eines Lächelns seine Lippen. «Ich glaube», sagte er langsam, «dass Wessex Mercien brauchen wird.» «Und Mercien braucht Æthelflæd.» «Ja», sagte er einfach.
    Pater Coenwulf hielt sich einen Moment länger als Edward bei mir auf. Er beugte sich aus seinem Sattel herunter und bot mir die Hand zum Gruß. Als ich einschlug, schüttelte er meine Hand wortlos, und dann galoppierte er seinem Herrn nach.
    Ich segelte mit den eroberten Schiffen nach Lundene. Die See hinter mir schimmerte sübrig und rosarot unter den Rauchwolken, die immer noch

Weitere Kostenlose Bücher